Bayern will die ab Mitte März vorgesehene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen vorerst nicht umsetzen. Es werde "großzügigste Übergangsregelungen" geben, was "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft", sagte Ministerpräsident Markus Söder nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. "Für wie viele Monate wird man dann sehen", fügte der Parteichef hinzu – jedenfalls zunächst für einige Zeit, "um das Ganze vernünftig zu gestalten."

Söder begründete das im Detail noch auszuarbeitende bayerische Vorgehen mit Schwierigkeiten der Pflegeeinrichtungen bei der Versorgung mit Personal. Er sei generell für eine Impfpflicht, sagte er. Diese singuläre und auch partielle Lösung sei aber derzeit in der Omikron-Welle keine Hilfe.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rügt die Entscheidung: "Auch die bayerische Landesregierung sollte das beschlossene Gesetz ernst nehmen", sagte der SPD-Politiker. "Wir müssen die pflegebedürftigen Menschen in den Heimen schützen. Laxe Vollzugsregeln der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden. Dazu gefährden sie auch die Glaubwürdigkeit von Politik."

Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eigentlich ab dem 15. März greifen soll, ist im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben worden. Konkret heißt es dort, dass die Beschäftigten bis zu diesem Termin ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Das "kann", wenn trotz anschließender Aufforderung innerhalb einer Frist kein Nachweis vorgelegt wird, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung aussprechen.

Stiftung Patientenschutz: "Jetzt schlägt die Praxis mit aller Macht zurück"

Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, kritisierte Söders Ankündigung. "Ich warne vor Alleingängen einzelner Bundesländer bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir kommen durch die Omikron-Welle doch bisher nur so gut, weil viele Pflegebedürftige und auch Pflegekräfte geimpft, geboostert und die Einrichtungen gut geschützt sind", sagte sie. Das sei nötig, um die Sterbezahlen dort niedrig zu halten. Sie selbst halte eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren für richtig. "Damit hätten wir auch die leidige Diskussion um die Pflegekräfte beendet", sagte Moll.

Auch die designierte Grünenvorsitzende Ricarda Lang bekräftigte die Notwendigkeit der Impfpflicht für Pflegekräfte. Bei der Regelung gehe es um den Schutz gefährdeter, etwa älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen. "Das ist nach wie vor ein Anliegen, das wir ganz klar haben", sagte Lang. Anders als bei einer allgemeinen Impfpflicht gehe es hier nicht um die Entlastung von Kliniken und Intensivstationen, wo man bei einer Besserung der Lage dort gegebenenfalls auch über eine neue Regelung nachdenken könne.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte hingegen, das Gesetz nicht wie geplant umzusetzen. "Wenn eine Norm vorhersehbar scheitert, dann gibt es nur eine Lösung: Bund und Länder müssen ihren Fehler revidieren", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die große Mehrheit des Bundestages und alle Bundesländer hätten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zwar zugestimmt, dabei aber die weit verbreitete Skepsis ignoriert. "Doch jetzt schlägt die Praxis mit aller Macht zurück. Denn weder der Vollzug, noch die arbeitsrechtlichen Folgen, geschweige denn die Auswirkungen des Ausfalls Zehntausender von Pflegekräften wurden bedacht", sagte Brysch. Allerdings sei auch das Vorgehen Bayerns kein gangbarer Weg, sondern ein verfassungsrechtlicher Verstoß. Schließlich hätten auch die geimpften Beschäftigten einen Anspruch auf den Gleichheitsgrundsatz. "Der einzige Ausweg aus dem Dilemma ist, das Gesetz aufzuheben."