Warum Ihr Arbeitgeber Ihren gesamten Urlaubsanspruch vor und während der Elternzeit abgelten muss.
Was passiert mit meinem Urlaubsanspruch während des Mutterschutzes und der Elternzeit? Verfällt der Urlaub, wenn ich ihn während eines Beschäftigungsverbots nicht nehmen konnte? Wie viel Urlaub steht mir während der Elternzeit zu? Muss mir der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch abgelten, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit endet?
Dies sind wichtige Fragen, die werdende Mütter und Eltern immer wieder beschäftigen. Ich habe daher die wichtigsten Fakten zum Urlaubsanspruch im Mutterschutz und während der Elternzeit hier einmal zusammengefasst.
Urlaubsanspruch während des Mutterschutzes
Während des Mutterschutzes verfällt Ihr Urlaubsanspruch nicht, sondern bleibt Ihnen in voller Höhe erhalten. Denn der Anspruch auf den Jahresurlaub entsteht (nach Ablauf der einmaligen Wartefrist von 6 Monaten) jeweils am 1. Januar eines Kalenderjahres immer in voller Höhe und nicht anteilig (BAG, Urteil v. 14.03.2017, 9 AZR 7/16).Wenn Sie also während der Schwangerschaft aufgrund eines Beschäftigungsverbotes und wegen der Mutterschutzfristen (6 Wochen vor der Geburt und 8 Wochen nach der Geburt) nicht arbeiten können, können Sie die Urlaubstage auch nach Ablauf der Mutterschutzfrist nehmen (§ 24 Satz 2 MuSchG). Sollten Sie im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist in Elternzeit gehen, überträgt sich der Urlaubsanspruch aus dem Mutterschutz an das Ende der Elternzeit (siehe unten). Denn für den Urlaubsanspruch ist es unerheblich, ob Sie die Arbeitsleistung erbringen können. Maßgeblich ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Im Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist zudem ausdrücklich geregelt, dass Ausfallzeiten durch Beschäftigungsverbote während des Mutterschutzes als Beschäftigungszeiten gelten.
Urlaubsanspruch vor der Elternzeit
In den meisten Fällen schließt sich bei Müttern unmittelbar an die 8-wöchige Mutterschutzfrist die Elternzeit an. In diesem Fall wird Ihr restlicher Urlaub vor der Elternzeit auf die Zeit nach dem Ende der Elternzeit übertragen (§ 17 Abs. 2 BEEG). Von dieser Regelung wird auch der Urlaub erfasst, den Sie wegen der Beschäftigungsverbote oder Mutterschutzfristen nicht nehmen konnten. Auch bei diesem Urlaub handelt es sich um Urlaub, den Sie vor Beginn der Elternzeit nicht erhalten haben (BAG, Urteil v. 15.12.2015, 9 AZR 52/15).
Sofern Sie im unmittelbaren Anschluss an eine erste Elternzeit für ein weiteres Kind eine zweite Elternzeit in Anspruch nehmen, wird Ihr Resturlaub vor Beginn der ersten Elternzeit bis zum Ende der zweiten Elternzeit übertragen (BAG, Urteil v. 20.05.2008, 9 AZR 219/07). Die Übertragung erfolgt automatisch. Sie brauchen hierzu keine Erklärung abzugeben. Die Vorschrift des § 17 Abs.2 BEEG stellt sicher, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt (BAG, Urteil v. 20.05.2008, 9 AZR 219/07) .
Urlaubsanspruch während der Elternzeit
Auch während der Elternzeit besteht ein Urlaubsanspruch. Die Elternzeit hat zunächst keinen Einfluss auf Ihren Urlaubsanspruch. Auch wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht, behalten Sie Ihren vollen Jahresurlaub. Die Elternzeit wirkt sich nicht urlaubsschädlich aus (BAG, Urteil v. 19. März 2019, 9 AZR 362/18; und v. 23.01.2018, 9 AZR 200/17). Das gilt auch, wenn Sie im Laufe des Jahres in Elternzeit gehen.
Beispiel
Nehmen wir einmal an, Ihnen stehen laut Arbeitsvertrag 30 Tage Urlaub im Jahr zu. Sofern Ihr Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, entsteht Ihr voller Jahresurlaub immer zu Beginn eines Kalenderjahres. Dies gilt auch während der Elternzeit (BAG, Urteil v. 17.05.2011, 9 AZR 197/10).
Arbeitgeber kann Urlaubsanspruch während der Elternzeit kürzen
Ihr Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, Ihren Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen (§ 17 Abs. 1 BEEG). Möchte er von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen, muss er eine entsprechende Erklärung abgeben. Dazu ist es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will oder ihm nur der gekürzte Urlaub gewährt wird. Allein die Angabe der Urlaubstage in der Gehaltsabrechnung reicht jedoch nicht aus. Denn die Angaben in der Gehaltsabrechnung stellen grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern lediglich Wissenserklärungen dar (BAG, Urteil v. 19.03.2019, 9 AZR 495/17). Sollten in Ihrer Gehaltsabrechnung also zum Beispiel „0 Urlaubstage“ ausgewiesen sein, stellt dies keine wirksame Kürzungserklärung aus.
Kürzung kann vor, während oder nach der Elternzeit erklärt werden
Die Kürzung des Urlaubsanspruchs muss Ihr Arbeitgeber nicht zwingend vor Antritt der Elternzeit erklären. Die Kürzungserklärung kann er auch noch während oder nach der Elternzeit vornehmen, jedoch nicht bevor Sie die Elternzeit beantragt haben. Denn der Arbeitgeber kann sein Wahlrecht erst dann sinnvoll ausüben, wenn er weiß, dass und für welchen Zeitraum Elternzeit in Anspruch genommen werden soll. Die Kürzungsbefugnis setzt somit ein Elternzeitverlangen voraus, durch das der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit festgelegt werden. Er kann den Urlaub nicht für irgendeine Elternzeit, sondern nur für eine konkret in Rede stehende Elternzeit kürzen (BAG, Urteil v. 19.03.2019, 495/17). Eine im Voraus erklärte Kürzung im Arbeitsvertrag ist damit nicht zulässig, Das gleich gilt für eine Regelung in einem Tarifvertrag.
Hinweis
In manchen Tarifverträgen (z.B. § 26 Abs. 2c TVöD Bund) ist geregelt, dass sich der Urlaubsanspruch um 1/12 für jeden vollen Kalendermonat vermindert, wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Das LAG Niedersachsen ist zu Recht der Auffassung, dass die Regelung nicht zu einer Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit führt. Denn nach § 17 Abs. 1 BEEG entsteht der Urlaub grundsätzlich auch während der Elternzeit. Entfiele er schon kraft der Tarifnorm, so wäre dies für den Arbeitnehmer ungünstiger als die gesetzliche Regelung, weil der Mindesturlaub nach § 3 BUrlG unterschritten würde. Gemäß § 13 BUrlG kann von § 3 BUrlG jedoch nicht durch Tarifvertrag zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Da die Tarifnorm nicht zwischen dem gesetzlichen und dem diesen übersteigenden Urlaub unterscheidet, gilt dies für den gesamten tariflichen Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber hat es insoweit in der Hand, eine wirksame Kürzungserklärung abzugeben, wenn er während der Elternzeit keinen Urlaub gewähren möchte (LAG Niedersachens, Urteil v. 17.05.2022, 10 Sa 954/21).
Keine Kürzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Kürzung des während der Elternzeit erworbenen Urlaubsanspruchs nicht mehr möglich (siehe unten).
Kürzung nur für volle Kalendermonate
Der Urlaub kann immer nur für volle Kalendermonate der Elternzeit gekürzt werden, Beginnt oder endet Ihre Elternzeit im Laufe eines Kalendermonats, kann Ihr Arbeitgeber für diese Monate den Urlaub nicht kürzen. Ergeben sich durch die Kürzung Bruchteile von Urlaubstagen, sind diese weder auf- noch abzurunden, sondern zu gewähren. Die Regelung in § 5 Abs. 2 BUrlG, die eine Rundung von Urlaubsansprüchen vorsieht, gilt nur für den gesetzlichen Teilurlaub nach § 5 Abs. 1 BUrlG. Sie enthält aber keinen allgemeinen Rechtssatz (BAG, Urteil v. 23.01.2018, 9 AZR 200/17).
Beispiel
Sie haben 30 Urlaubstage im Kalenderjahr
Geburt des Kindes: 14.03.2019
letzter Arbeitstag: 31.01.2019
6wöchige Mutterschutzfrist: 01.02.2019 bis 13.03.2019
8wöchige Mutterschutzfrist: 15.03.2019 bis 09.05.2019
2 Jahre Elternzeit: 10.05.2019 – 13.03.2021
Ihr Arbeitgeber darf nur für die vollen Kalendermonate Juni 2019 bis Dezember 2019 den Urlaubsanspruch um 7/12, also um (30 : 12 x 7) = 17,5 Tage kürzen. Ihnen steht damit für 2019 noch ein Resturlaub von 12,5 Tagen zu. Für das Jahr 2020 kann Ihr Arbeitgeber den gesamten Urlaub auf Null kürzen. Für das Jahr 2021 kann Ihr Arbeitgeber Ihren Urlaub von 30 Tagen nur für die vollen Kalendermonate Januar bis Februar 2020 um 2/12, also um 5 Tage kürzen.
Urlaubsanspruch während der Elternzeit verfällt nicht
Wenn Ihr Arbeitgeber von seinem Recht, den Urlaub zu kürzen, keinen Gebrauch macht, bleibt Ihr Urlaubsanspruch während der Elternzeit in voller Höhe erhalten. Der Urlaubsanspruch während der Elternzeit verfällt nicht. Dies hat jetzt das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil v. 19.03.2019, 9 AZR 495/17).
Fall:
Eine Bürokauffrau hatte zunächst für ihre Tochter drei Jahre Elternzeit und anschließend für ihren während der Elternzeit geborenen Sohn eine zweite Elternzeit von drei Jahren beansprucht. Die Mutter kündigte das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit und verlangte von Ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von rund 100 Urlaubstagen für insgesamt sechs Jahre. Während das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg der Auffassung waren, dass der Urlaubsanspruch während der Elternzeit jeweils spätestens am 31. März des Folgejahres verfallen sei, bekam die Mutter vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass die Fristenregelung aus dem Bundesurlaubsgesetz während der Elternzeit keine Anwendung findet. Die Sonderreglungen im Bundeselternzeitgesetz gehen vor. Danach hat der Arbeitgeber das Recht, den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen (§ 17 Abs 1 Satz 1 BEEG). Aus dem Gesetz ergibt sich jedoch nicht, dass die Ansprüche auf Erholungsurlaub bereits am Jahresende oder am Ende des Übertragungszeitraum (31.03.) verfallen. Denn der Urlaub kann unabhängig vom Ablauf des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraumes vom Arbeitgeber gekürzt werden. Durch das Kürzungsrecht wird ein Ansammeln von Urlaub gegen den Willen des Arbeitgebers vermieden. Durch die Fristenregelung im Bundesurlaubsgesetz soll hingegen in erster Linie dazu beitragen, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt wird und er damit in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung und Entspannung von der Arbeit erhält.
Urlaubsanspruch bei erneuter Elternzeit
Sollten Sie im unmittelbaren Anschluss oder während einer ersten Elternzeit aufgrund der Geburt eines weiteren Kindes erneut in Elternzeit gehen, wird Ihr restlicher Urlaubsanspruch nach § 17 Abs. 2 BEEG ebenfalls auf die Zeit nach der zweiten Elternzeit übertragen (BAG, Urteil v. 20.5.2008, 9 AZR 219/07).
Urlaubsanspruch nach der Elternzeit
Ihr restlichen Urlaub vor dem Mutterschutz und der Elternzeit wird automatisch nach dem Ende der letzen Elternzeit übertragen. Sie können Ihren Urlaub entweder in dem restlichen laufenden Kalenderjahr nach der Elternzeit oder auch noch in dem ganzen darauffolgenden Kalenderjahr nehmen (§ 17 Abs. 2 BEEG).
Können Sie den übertragenen Resturlaub wegen einer längeren Krankheit nicht mehr in dem laufenden oder nächsten Kalenderjahr nach der Elternzeit nehmen, verfällt Ihr Urlaubsanspruch nicht bereits zum Ende des Folgejahres, sondern wird dann gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz bis zum 31. März des nachfolgenden Jahres übertragen (BAG, Urteil v. 15.12.2015, 9 AZR 52/15).
Wenn Sie vor Beginn der Elternzeit bereits mehr Urlaub genommen haben, als Ihnen aufgrund der Kürzung während der Elternzeit eigentlich zusteht, darf Ihr Arbeitgeber den nach der Elternzeit entstehenden Urlaubsanspruch um die zu viel gewährten Urlaubstage kürzen (§ 17 Abs. 4 BEEG).
Arbeitgeber muss Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten
Sollte Ihr Arbeitsverhältnis in der Elternzeit oder zum Ende der Elternzeit enden, muss Ihr Arbeitgeber Ihren restlichen Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abgelten.
Hat Ihr Arbeitgeber von seinem Recht zur Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit keinen Gebrauch gemacht, muss er Ihnen nicht nur den Urlaub vor der Elternzeit, sondern den gesamten Urlaubsanspruch auch für die Jahre der Elternzeit abgelten. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt
(BAG, Urteil v. 19.03.2019, 9 AZR 495/17)
Denn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden. Ihr Arbeitgeber ist dann nicht mehr berechtigt, den Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit nachträglich zu kürzen (BAG, Urteil v. 19.05.2015, 9 AZR 725/13). Dies kann bares Geld sein. Sie sollten Ihren Arbeitgeber daher nicht auf den Urlaub oder gar auf die Kürzungsmöglichkeit aufmerksam machen, sondern bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses abwarten, ob Ihr Arbeitgeber den Urlaub von selbst noch kürzt. Die Kürzung kann er noch innerhalb der Kündigungsfrist erklären.