Eine Frau zieht eine Spritze mit Biontech Impfstoff auf. © picture alliance/SvenSimon/Frank Hoermann Foto: Frank Hoermann

Corona-Impfung: Totimpfstoff, Virusproteine, mRNA- oder Vektorimpfstoff?

Stand: 22.02.2022 10:55 Uhr

Einige Menschen misstrauen den neuen mRNA- und Vektorimpfstoffen und warten deshalb auf eine Impfung mit Totimpfstoffen oder Virusproteinen. Nun beginnen die ersten Impfungen mit dem Nuvaxovid. Was unterscheidet die Vakzine?

Trotz ihrer Erfolge und milliardenfachen Anwendung misstrauen einige Menschen noch immer den modernen mRNA- und Vektorimpfstoffen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2. Viele würden sich lieber mit einem konventionellen Totimpfstoff oder Virusproteinen impfen lassen.

Auch wenn Expertinnen und Experten diese Befürchtungen nicht teilen, hoffen sie, dass der nun verfügbare Impfstoff viele Skeptiker überzeugen kann - insbesondere bisher ungeimpfte Menschen aus dem Gesundheitsbereich. Nun beginnen die ersten Impfungen mit dem Proteinimpfstoff von Novavax. Was unterscheidet die Vakzine?

Biontech und Co.: Zugelassene Corona-Impfstoffe sind sicher und wirksam

Die meisten der mittlerweile fast fünf Milliarden vollständig geimpften Menschen weltweit verdanken ihren Schutz den modernen Impfstoffen der Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson&Johnson. Deren Sicherheit und Wirksamkeit ist also längst nicht nur in den Zulassungsstudien, sondern auch in der weltweiten Anwendung milliardenfach nachgewiesen. Da sie auf innovativen Wirkprinzipien beruhen, misstrauen viele Menschen in Deutschland diesen Impfstoffen aber noch immer, manche fürchten sogar eine Veränderung des menschlichen Erbgutes.

mRNA-Impfstoffe erhalten Erbinformationen für das Spike-Protein

Tatsächlich enthalten die modernen Impfstoffe die Erbinformation für das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna wird der Bauplan für die Spike-Proteine in Form von Boten-Ribonukleinsäure (messenger RNA, mRNA) mit einer Fetthülle versehen in einen Muskel gespritzt. Die Muskelzellen nehmen die mRNA auf und produzieren das Spike-Protein des Coronavirus, den eigentlichen Impfstoff. Die Vektorimpfstoffe setzen dagegen unschädlich gemachte Viren als Fähren (Vektoren) ein, die den Bauplan für das Spike-Protein in die Zellen einschleusen.

Die Produktion des eigentlichen Impfstoffs erledigen die Muskelzellen. Sie setzen nach den Vorgaben des eingeschleusten Bauplans Spike-Proteine zusammen, die das Immunsystem anschließend als fremd erkennt. Es produziert Antikörper und speichert die Struktur des Spike-Proteins in sogenannten Gedächtniszellen. Auf diese Weise lernt der Körper, anhand der Spike-Proteine die Viren zu erkennen und so die Infektion abzuwehren.

Ein Einbau von mRNA in das Erbgut der Zelle ist aus mehreren Gründen nicht möglich:

  1. Die mRNA gelangt nicht in die Nähe der DNA im Zellkern.
  2. Vor einem Einbau ins Erbgut müsste die mRNA zunächst in Desoxyribonukleinsäure (DNA) umgeschrieben werden. Dafür wäre das Enzym „reverse Transkriptase“ erforderlich, das in der Zelle nicht vorhanden ist.
  3. Selbst, wenn die mRNA in DNA umgeschrieben werden könnte, wäre ein Einbau ins Erbgut der Zelle noch immer nicht möglich. Denn dafür wäre ein weiteres, als „Integrase“ bezeichnetes Enzym erforderlich. Auch dieses ist normalerweise nicht in der Zelle vorhanden. Sogenannte Retroviren wie HIV bringen deshalb beide Enzyme mit, um ihr eigenes Erbgut in das der Wirtszellen einzubauen. Das ist bei den Impfstoffen aber nicht der Fall.

Trotz aller Argumente für die aktuelle Impfstoffgeneration haben viele Menschen aber mehr Vertrauen in die seit vielen Jahrzehnten etablierten Impfstoffarten.

Nuvaxovid: STIKO empfiehlt Proteinimpfstoff von Novavax

Seit dem 20. Dezember 2021 ist der Proteinimpfstoff Nuvaxovid des US-Unternehmens Novavax in der Europäischen Union für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihn zur Grundimmunisierung von Personen ab 18 Jahren empfohlen. Noch im Laufe des Februars sollen die ersten Impfungen mit Nuvaxovid starten. Auch dieser Impfstoff verwendet das Spike-Protein des Coronavirus als Ziel. Nur enthält er keinen Bauplan, sondern bereits fertige, künstlich hergestellte Spike-Proteine. Um die Reaktion des Immunsystems auf diese Eiweiße anzufeuern, wird den Proteinen ein Wirkverstärker (Adjuvans) hinzugefügt. Das Gemisch wird in einen Muskel gespritzt und das Immunsystem bildet eine Antwort auf das Spike-Protein. Das Impfschema sieht zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen vor. Solche Proteinimpfstoffe haben sich schon gegen andere Krankheiten bewährt, allerdings können die Wirkverstärker Impfreaktionen auslösen.

Novavax-Impfstoff: in Studien Wirksamkeit von rund 90 Prozent

In den beiden zur Zulassung eingereichten Studien aus den USA, Mexiko und Großbritannien mit insgesamt 44.000 Probanden wurde eine Gesamtwirksamkeit von rund 90 Prozent erzielt. Ein großer Vorteil des Proteinimpfstoffs gegenüber den empfindlicheren mRNA-Impfstoffen ist die unkomplizierte Lagerung bei Kühlschranktemperaturen.

Totimpfstoff noch in der Zulassung

Auch der herkömmliche Totimpfstoff von Valneva funktioniert ohne das Spritzen von Erbmaterial. Er besteht aber nicht nur aus Spike-Proteinen, sondern aus kompletten Coronaviren, die in einer Zellkultur vermehrt und anschließend abgetötet und zu Impfstoff verarbeitet wurden. Damit das Immunsystem auf die abgetöteten Viren reagiert, ist auch bei Totimpfstoffen der Zusatz von Adjuvantien, meist Aluminiumsalzen erforderlich. In diesem Fall konfrontiert der Impfstoff das Immunsystem nicht nur mit dem Spike-Protein, sondern mit dem kompletten Virus. So lernt die körpereigene Abwehr ihren kompletten Gegner kennen und kann sich dagegen wappnen.

Diese breitere Immunantwort scheint auf den ersten Blick ein Vorteil zu sein. Andererseits kann eine Immunreaktion gegen so viele verschiedene Proteine auch leicht aus dem Ruder laufen und zu Autoimmunreaktionen führen. Das sei gerade in Verbindung mit den Adjuvantien schwierig zu kontrollieren, warnen Expertinnen und Experten, zumal das Coronavirus sehr unberechenbar sei. Das mache es im Vorfeld schwierig abzuschätzen, welche Nebenwirkungen der Totimpfstoff hervorrufen könnte. Da das Immunsystem auf das ganze Virus reagieren müsse, könne dabei auch viel schiefgehen.

Studien zu Valneva zeigen Schutz vor schweren Verläufen

Wie sicher und wirksam der Totimpfstoff tatsächlich ist, müssen erst noch Studien zeigen. Erste Vergleichsstudien zwischen Valneva und AstraZeneca aus Großbritannien zeigen zumindest einen relativ guten Schutz vor Krankenhauseinweisungen durch den Totimpfstoff. Auch gegen die Omikron-Variante hat der Valneva-Impfstoff eine Wirkung gezeigt, die Hoffnung macht, dass eine Dreifach-Impfung mit diesem Impfstoff auch dagegen einen ausreichenden Schutz bieten könnte.

Noch keine Zulassung für Valneva

Aber selbst, wenn sich der Impfstoff als wirksam und sicher erweisen sollte, könnte es noch etwas dauern, bis er verfügbar ist. Das so genannte Rolling-Review-Verfahren für den Valneva-Impfstoff bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA läuft seit Anfang Dezember, eine Zulassung hat die Europäische Arzneimittelbehörde bislang noch nicht erteilt. Einen Vertrag mit Valneva billigte die EU-Kommission bereits am 10. November 2021. Deutschland und den übrigen EU-Staaten stehen damit Bezugsrechte für den Impfstoff zu, sobald dieser eine Zulassung bekommt. Valneva rechnet eigenen Angaben nach damit, dass die Auslieferung im April 2022 beginnen kann. Unklar ist bisher auch, wie lange es dauert, bis Menschen durch den Totimpfstoff vor einer Covid-Krankheit geschützt sind, wie viele Impfungen benötigt werden und wie lange die Wirkung anhalten wird.

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