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Bielefeld

Gesundheitspolitik: Ärzte bald kaum noch von Regress bedroht

Die Budgetierung der Mediziner bei der Arzneiverordnung weicht dem Prinzip der Leitsubstanz

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14.12.2015 | 14.12.2015, 14:00

Bielefeld. Eine in Ärztekreisen gefürchtete Regulierung steht vor dem Aus: die Regressforderung bei zu viel verordneten Medikamenten oder Heilmitteln. Sie soll stufenweise einem anderen Verfahren weichen, das auf Beratung statt Strafzahlung setzt.

Niedergelassene Kassenärzte unterliegen Budgetierungen. Für Fachgruppen sind finanzielle Durchschnittswerte festgelegt, wie viel ein Arzt verordnen darf. Überschreitet er das Budget, droht ihm eine Richtgrößenprüfung, die in einer Regressforderung münden kann. In Extremfällen sahen sich Ärzte Forderungen in Höhe von mehreren zehntausend Euro gegenüber. Die Mediziner kritisierten, dass sie das eingeforderte Geld gar nicht selbst eingenommen hätten, sondern die Apotheken, Pharmahersteller, Physiotherapiepraxen – eben jene, deren Leistung verordnet wurde. Zum anderen lasse sich der Bedarf an Verordnungen nicht vorausplanen. Grippewellen etwa könnten schnell zu Budgetüberschreitungen führen.

Zwar hatte zuletzt die Zahl der Regressverfahren abgenommen, doch die Gefahr blieb. Das soll sich 2016 bei Medikamenten ändern. Künftig sollen sich Ärzte an Leitsubstanzen halten, die ihnen vorgegeben werden. Entscheidend ist nicht mehr das Medikament, das verordnet wird, sondern der Wirkstoff.

"Ein Meilenstein für die freiheitliche Ausübung des Arztberufs"

Apotheken erhalten so die Möglichkeit, günstigere Mittel zu bevorzugen. Budgets spielen kaum eine Rolle. „Die Richtgrößenprüfung ist damit faktisch tot“, sagt Wolfgang-Axel Dryden, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Wenn der Arzt keine Regress-Sorgen mehr habe, komme das den Patienten zugute. Verordnungen seien nicht mehr vom Budgetgedanken geprägt. „Das ist ein Meilenstein für die freiheitliche Ausübung des Arztberufs.“

Ab 2017 soll die Regressregelung gänzlich aufgeweicht werden, wie Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, erklärt: „Dann gilt das Gebot: Beratung vor Regress.“ Darauf hätten sich Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung geeinigt. Falle ein Arzt durch hohe Verordnungszahlen auf, erhalte er in mehreren Stufen Beratung.

„Das Ende des Regresses ist ein wichtiges Signal an junge Mediziner“, so Windhorst. Die Furcht vor den Forderungen habe viele von der Entscheidung für eine niedergelassene Tätigkeit abgehalten.