Letzte Woche stand der Rapper Sido in der Kritik, weil er in einem
Interview die großen Medien als "unterwandert" bezeichnete und daneben mehrere
Aussagen machte, die ebenfalls als Verschwörungserzählungen interpretiert
werden konnten. Sido sagte kurz darauf öffentlich, dass er sich manchmal
differenzierter ausdrücken sollte, und stellte auch klar, dass er sich vom
Verschwörungsgläubigen Xavier Naidoo distanziert. Es hätte trotzdem ein
guter Anlass sein können, grundsätzlich mal darüber zu sprechen, wo das knappe
Vorbeischrammen an Verschwörungsdenken problematisch wird.
Es passierte aber etwas anderes: Einerseits gab es in der Berichterstattung
sehr schnell eine große Fülle an verkürzten, überzogenen und schlicht falschen Behauptungen
über Sidos Aussagen, die ich hier mal
zusammengetragen habe. Zum anderen wollte die Bild-Zeitung mal investigativ werden und
schickte zwei Reporter zum Privatgrundstück von Sido. Sie filmten es nach seinen Angaben
von allen Seiten, und selbst die wiederholte Absage eines Interviews und die Aufforderung,
nicht das Grundstück zu filmen, änderten an dem Verhalten der Reporter nichts.
Stattdessen wurde weiter die Kamera Richtung privater Raum gehalten und im
ahnungslosen Tonfall gesagt, man stehe doch nur auf einer "ganz normalen
Straße". Erst nachdem Sido das Tor öffnete und auf die Journalisten sichtlich
wütend zuging, sagten diese zu, die Aufnahmen zu beenden. Nach Angaben der Bild hat Sido bei seinem Vorstoß auch das Equipment beschädigt. Anschließend
verbreitete die Zeitung Teile ihrer Aufnahmen, auf denen das Grundstück, das
Haus und sogar die umliegenden Häuser völlig unzensiert zu sehen sind.
Somit haben Journalisten nun jedem eine hervorragende
Hilfestellung gegeben, der Sido, seiner Frau oder seinen Kindern schaden möchte
– von Belästigung bis hin zu Gewalt. Sinnvoll oder gar notwendig zur Befriedigung eines öffentlichen
Interesses war nichts davon. Nicht überraschend ging es in den sozialen Medien
plötzlich nicht mehr um das eigentliche Thema, sondern um das
grenzüberschreitende und unnötig übergriffige Verhalten der Reporter.
Ich möchte in diesem Text zeigen, dass unethisches Verhalten von
Journalisten nicht als Einzelfallproblem abgetan werden kann, sondern eine
Teilursache des Grundmisstrauens von großen Teilen der Bevölkerung gegenüber
der Presse darstellt. Um dieses abzubauen, sind nicht nur gute Recherche,
verständliche Darstellung und die richtigen Prioritäten der Themen wichtig,
sondern eben auch moralische Integrität im Handeln und Auftreten.
Ich bin leider nicht alt genug, um einschätzen zu können, ob das Image von
zwielichtigen Informationsbeschaffern, die nicht gemocht und im Zweifel nur
gefürchtet werden, irgendwann mal als erstrebenswertes Verständnis von
Journalismus angesehen wurde. Aber es ist letztlich auch egal, denn heute
stellen sich ganz andere Fragen als zu Zeiten, in denen Journalisten als
Gatekeeper zu Informationen schlicht unerlässlich waren. Die zentrale Frage
lautet jetzt: Wie schaffe ich es, dass mir mehr vertraut wird als anderen
Leuten, die Informationen verbreiten, seien diese nun richtig oder falsch? Und
um Vertrauen geht es ja letztlich immer und geht es gerade jetzt auch wieder:
Solange ich selbst nicht der beste Virologe der Welt bin, muss ich darauf
vertrauen, dass Leute mit korrekten Motiven und größerer Fachkenntnis als
meiner eigenen mir die neusten Erkenntnisse verständlich erklären.
Letzte Woche stand der Rapper Sido in der Kritik, weil er in einem
Interview die großen Medien als "unterwandert" bezeichnete und daneben mehrere
Aussagen machte, die ebenfalls als Verschwörungserzählungen interpretiert
werden konnten. Sido sagte kurz darauf öffentlich, dass er sich manchmal
differenzierter ausdrücken sollte, und stellte auch klar, dass er sich vom
Verschwörungsgläubigen Xavier Naidoo distanziert. Es hätte trotzdem ein
guter Anlass sein können, grundsätzlich mal darüber zu sprechen, wo das knappe
Vorbeischrammen an Verschwörungsdenken problematisch wird.