Die selbstständige Krankenpflegerin Aurelie Garmond* aus dem südfranzösischen Carros haderte schon seit Monaten mit der Corona-Impfung. Als die französische Regierung vergangenen Sommer schließlich ankündigte, nur geimpftes Pflegepersonal dürfe weiterhin arbeiten, ließ sie sich krankschreiben. "Ich war ohnehin nahe am Burn-out, nach 20 Monaten Pandemie", erinnert sie sich.

Zu Anfang habe sie hustende Senioren ohne Gesichtsmaske pflegen müssen, habe Überstunden geschoben, um die Patientinnen ihrer kranken Kollegen zu versorgen, erzählt sie an diesem Wintertag vor der Schule ihres Sohnes. Garmond ist sich sicher, schon mit dem Coronavirus infiziert gewesen zu sein. Einen PCR-Nachweis eingefordert hat sie nicht, damals, als die Tests noch knapp waren. "Und als Dank für unseren Einsatz hatten wir als Erste keine Wahl mehr", sagt Garmond. 

Nun wechselt die 36-jährige alleinerziehende Mutter lieber den Beruf, als sich "nach der traumatischen Pandemie erpressen" zu lassen.

"Die Impfung ist unsere stärkste Waffe"

Während in Deutschland eine Pflicht zur Corona-Impfung für Krankenhausmitarbeiter ab dem 15. März gelten soll, ist sie in Frankreich bereits seit dem 15. September in Kraft. Im vergangenen Juli hatte die Regierung unter Emmanuel Macron sie auf den Weg gebracht. "Die Impfung ist unsere stärkste Waffe", sagte damals der Gesundheitsminister Olivier Véran. Auch die Krankenhäuser und viele Virologinnen und Virologen waren damals dafür.

Allerdings, so zeigt es sich mit einigen Monaten Abstand, hat die Impfpflicht viele wohl langfristige Folgen für die Krankenhäuser und die Pflege von Patientinnen und Patienten. Und sie ist mit der neuen Variante Omikron, mit der sich auch Geimpfte leichter als mit anderen Varianten infizieren, noch umstrittener als damals.

Das im August verabschiedete Gesetz sieht eine sofortige Suspendierung für diejenigen vor, die sich nicht impfen lassen wollten – wie Aurelie Garmond. Sie wurden vom Dienst suspendiert, verloren damit ihren Lohn und auch ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie haben also seitdem kein Einkommen aus ihrem ursprünglichen Job mehr. 

Tausende Krankenhausbetten weniger

Trotz dieser Konsequenz sind es bis heute zwischen 15.000 und 20.000 Menschen, die die Kliniken oder Arztpraxen wegen der Impfpflicht verlassen haben. Das sind rund zwei Prozent aller Angestellten – und wesentlich mehr, als die Regierung ursprünglich erwartete. Amélie Roux nimmt an, dass die Zahl höher liegt. Roux ist verantwortlich für das Personalwesen beim französischen Verband der öffentlichen Krankenhäuser (FHF). Sie verweist auf die Zahl der Atteste zur Arbeitsunfähigkeit, die in die Höhe geschnellt sei: Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich wegen der Impfpflicht krankschreiben lassen, deswegen tauchten sie in der offiziellen Statistik der Suspendierten nicht auf.

Schon zuvor sei die Abwesenheitsquote in den Kliniken mit neun Prozent sehr hoch gewesen, sagt Roux. Inzwischen seien es 13 Prozent aller Angestellten, die täglich nicht zum Dienst erschienen. Die Reaktion der Krankenhäuser? Sie hätten ihre Amtsärzte zu den Beschäftigten geschickt, um zu prüfen, ob sie wirklich krank seien. "Manchen wurde daraufhin der Krankenschein entzogen – sie hatten dann kein Einkommen mehr", sagt Roux. Frankreich sei eben "radikal" gewesen. Die Belastung der verbliebenen Beschäftigten steigt, sie müssen mehr arbeiten oder Patientinnen gar abgewiesen werden. Ohnehin haben französische Krankenhäuser aufgrund von Personalmangel schon im ersten Jahr der Pandemie rund 6.000 Krankenhausbetten abgeschafft.

Am 15. Februar folgt nun die nächste Etappe: Bis dahin müssen alle Menschen in medizinischen Berufen die dritte Dosis erhalten haben. Auch diesmal werden wieder Personen aus ihren Jobs ausscheiden – wie viele, darüber lässt sich bislang nur spekulieren. Die Betroffenen müssen ihren Impfnachweis direkt an ihren Arbeitgeber schicken, also an die Krankenhausleitung oder im Falle einer selbstständigen Pflegekraft an das regionale Gesundheitsamt.