Die Beispiele zeigen, dass hier etwas nicht stimmen kann: Das Statistische Bundesamt weist jeden Monat eine Inflationsrate aus. Die wenigsten Deutschen haben jedoch den Eindruck, dass das auch ihrer persönlichen Preissteigerung entspricht. Daher stammt das Urteil, der Warenkorb sei falsch, die Inflationsrate manipuliert. Aber: Der Warenkorb ist bestimmt nicht falsch, er beruht auf repräsentativen Daten des Statistischen Bundesamts, und an eine Manipulation glaubt praktisch niemand. Nur: Der Warenkorb eines Singles entspricht nicht dem einer Familie, der Warenkorb eines Niedrigverdieners entspricht nicht dem eines Top- Verdieners, der Warenkorb eines 70-Jährigen entspricht nicht dem eines 20-Jährigen.
Die DekaBank, das Wertpapierhaus der Sparkassen, verbildlicht die „persönliche“ Inflationsrate. „Der Student Felix Fleißig wendet in seinem (zugegeben vereinfachten) Warenkorb einen Großteil seiner Mittel für Bildung auf“, definieren die Experten ihr erstes Beispiel. 30 Prozent entfallen bei dem genügsamen Studenten auf Miete und Nahrung. Den Rest seines Einkommens gibt Fleißig für Kommunikation aus. Der Preis für den Felix-Fleißig-Warenkorb stieg in den vergangenen Jahren deutlich langsamer als die offizielle Inflationsrate: Der jährliche Durchschnitt lag von 2000 bis 2012 lediglich bei 0,04 Prozent pro Jahr. Deutlich teurer wurde dagegen das Leben von Lars Lebemann seit der Jahrtausendwende: Der größte Teil seines Einkommens fließt in alkoholische Getränke, Restaurantbesuche, Taxifahrten und Reisen. Sein Warenkorb wurde seit 2000 um jeweils 3,31 Prozent pro Jahr teurer - und lag damit deutlich über der offiziellen Inflationsrate. Die Diskrepanz zwischen den beiden von der DekaBank gut illustrierten Beispielen wirft Fragen auf.
Kassenbon wird kürzer - aber teurer
„Die Regierung spricht von zwei bis drei Prozent Inflation - wir persönlich haben eher den Eindruck, als seien es zehn Prozent. Woher kommt der Unterschied?“, fragt auch Dirk Müller in seinem Bestseller „Crashkurs“. „Sie kennen das: Der Bonzettel im Supermarkt wird zwar immer kürzer, der Betrag, der unten als Summe steht, aber immer höher. Und dennoch haben wir angeblich kaum Inflation. Wie geht denn das?“, wundert sich der ehemalige Börsenhändler.
Mr. Dax: "Was für ein Zynismus!"
Genau das sei geschehen, folgert Müller: So wurde beispielsweise die Gewichtung von Lebensmitteln, deren Preise in den letzten Jahren dramatisch anzogen, von 13,1 Prozent im Jahr 1995 auf 10,4 Prozent im Jahr 2005 reduziert! Gleichzeitig wurde der Anteil von Freizeit und Kultur, zu dem auch die immer billiger werdenden Fernreisen zählen, von 10,4 auf 11,6 Prozent erhöht. „Im Klartext heißt das: Man will der armen Rentnerin erklären, dass sie halt Pech hat, wenn ihr ganzes Geld, das sie nach den Ausgaben für Wohnen und Heizen noch übrig hat, für immer teurere Lebensmittel draufgeht“, illustriert der Experte. „Würde sie weniger essen und stattdessen öfter nach Mauritius fliegen, hätte sie auch nicht so eine hohe persönliche Inflationsrate - was für ein Zynismus!“, empört sich Müller.