Was ist Betrug (§ 263 StGB)? – Antworten vom Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht

In unserem Alltag ist der Betrug allgegenwärtig. Im Supermarkt ärgern wir uns etwa über Mogelpackungen. Dem Kollegen sagen wir, wie toll wir seine Arbeit finden, obwohl das nicht stimmt – der kleine Betrug erspart uns manchmal Ärger. Manchmal sind wir sogar gerne „Opfer“ eines Betrugs, etwa, wenn uns jemand sagt, wie sehr wir abgenommen hätten, obwohl wir allenfalls ein oder zwei Kilo weniger auf den Rippen haben. Im alltagssprachlichen Gebrauch ist der Betrug ganz offensichtlich eine Lüge, auf die wir hereinfallen. Wir werden entweder bewusst in die Irre geführt, (arglistig) getäuscht oder lassen uns (vielleicht sogar gern) etwas vormachen.

Juristisch strafbar sind die bislang aufgezählten Betrugsversuche nicht. Selbst bei den Mogelpackungen liegt, juristisch betrachtet, kein Betrug nach § 263 StGB vor. Zu große Umverpackungen verstoßen allenfalls gegen § 43 des Mess- und Eichgesetzes (nach gängiger Rechtsprechung darf das Fassungsvermögen der Verpackung nicht mehr als 30% von der angegebenen Füllmenge abweichen – den Herstellern bleibt also reichlich Luft, um ihre Verpackungen größer aussehen zu lassen).

Betrug nach 236 StGB

Wann wird ein Betrug zum strafrechtlich relevanten Delikt?

Unter welchen Voraussetzungen ein Betrug als Straftat zu werten ist, regelt § 263 Abs. 1 StGB:

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Diese Definition zählt zwei Verhaltensweisen auf, die beim Tatbestand des Betrugs gegeben sein müssen:

  • Täuschung über Tatsachen
  • Herbeiführen (oder unterhalten) eines Irrtums

Juristisch relevant werden Täuschung und Irrtum dabei erst dann, wenn aufgrund der Täuschung über Tatsachen und dem Irrtum

  • eine Vermögensverschiebung vorliegt
  • ein Vermögensschaden entsteht

Was wird beim Betrug als Täuschungshandlung gewertet?

Am Beispiel des Verkaufs der Hitler-Tagebücher an das Magazin „Stern“ lässt sich der juristische Begriff der Täuschung gut darstellen. Die Verkäufer verkauften die Tagebücher im klaren Wissen darüber, dass diese gefälscht waren. Sie täuschten den Verlag sogar mit einer erfundenen Geschichte darüber, wie sie zu den Büchern gekommen sein wollten. Die Betrugshandlung erfolgte in diesem Fall also ausdrücklich. Zur Täuschung hätte es allerdings auch genügt, wenn sie lediglich durch schlüssiges Verhalten (konkludent) bei den Käufern die Vorstellung erweckt hätten, es handle sich um die echten Hitler-Tagebücher.

Häufig gehen ausdrückliche und konkludente Täuschung auch ineinander über. Ein einfaches Beispiel dafür ist, wenn jemand das Preisschild an der Ware selbst austauscht (konkludente Täuschung) und an der Kasse behauptet, die Ware mit diesem Preisschild einfach aus dem Regal gegriffen zu haben (explizite Täuschung).

Zur Täuschungshandlung gehört also, dass Tatsachen nicht richtig dargestellt werden (aktive Täuschung). Ebenfalls als Täuschung gewertet wird, wenn Tatsachen nicht richtiggestellt werden. In solchen Fällen liegt rasch ein Täuschen durch Unterlassen vor. Wer etwa Sozialleistungen beantragt oder bezieht, dem fällt auch eine Aufklärungspflicht über seine Vermögensverhältnisse zu. Dafür muss noch nicht einmal ein Vertrag zustande gekommen sein. Wer bei Ebay eine Ware zum Verkauf anbietet, die beschädigt ist, diesen Schaden aber verschweigt, verstößt ebenfalls gegen die Aufklärungspflicht, täuscht also durch Unterlassen dieser für Käufer zentralen Information.

Verlangt der Ebay-Verkäufer dagegen einen besonders hohen Preis für seine Ware, steckt dahinter lediglich sein Werturteil. Solche subjektiven Einschätzungen (dazu zählen auch Prognosen, etwa über mögliche Wertsteigerungen) sind KEINE Täuschungen. Getäuscht werden kann also nur über Tatsachen aus der Gegenwart oder der Vergangenheit. Vorsicht: Es gibt aus juristischer Sicht auch innere Tatsachen wie Wissen über Abläufe, Überzeugungen oder Absichten. Wer solche inneren Tatsachen anderen gegenüber vortäuscht, um sich dadurch zu bereichern, kann ebenfalls des Betrugs belangt werden.

Wann liegt Betrug durch Erregung oder Unterhalten eines Irrtums vor?

Wer sich ein Auto kauft, geht davon aus, dass er mit dem Auto auch fahren können wird. Stellen wir uns einen (windigen) Autoverkäufer vor, der uns im Internet ein Auto anpreist, das äußerlich genau unseren Vorstellungen entspricht. Tatsächlich ist jedoch der Motor des Wagens kaputt. Diesen Schaden verschweigt der Verkäufer nicht nur, sondern schickt uns zum „Beweis“ der Fahrtüchtigkeit des Wagens auch noch ein Video, auf dem wir das Auto in voller Fahrt sehen. Der Verkäufer erweckt in uns also die Vorstellung einer Tatsache, die so nicht zutrifft. Vorstellung und Wirklichkeit stehen im Widerspruch zueinander. Der Irrtum wurde kausal vom Täter erweckt. Bleibt der Verkäufer auch auf Nachfrage dabei, dass das Auto noch immer gut fährt, unterhält er den Irrtum.

Vermögensverfügung als Voraussetzung für den Tatbestand des Betrugs

Das Kriterium der Vermögensverfügung findet sich nicht explizit im Gesetzestext von § 263 StGB, liegt diesem aber gewissermaßen logisch zugrunde und grenzt ihn von Delikten wie Diebstahl oder Sachbetrug ab. Die Vermögensverfügung schlägt dabei quasi die Brücke zwischen Täuschung und Irrtum einer- und dem Schaden andrerseits. Gemeint sind damit Handlungen, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirken wie der Abschluss eines Vertrags, das Dulden der Mitnahme einer Sache oder das Nichtgeltendmachen einer Forderung aufgrund von Täuschung oder Erregung eines Irrtums.

Vermögensschaden beim Betrug

Der vierte wesentliche Bestandteil des Betrugs ist ein entstandener Vermögensschaden aufgrund der Vermögensverfügung. Verkürzt gesagt, liegt ein solcher vor, wenn sich durch den Tatbestand des Betrugs das Vermögen unmittelbar verringert (Prinzip der Gesamtsaldierung). Auf das Wörtchen unmittelbar ist hier besonders zu achten. Wird jemand von einem anderen arglistig getäuscht und verkauft eine Ware dadurch unter Preis, ergibt sich nicht unmittelbar ein Saldo seines Vermögens. Er kann lediglich Schadensersatzanspruch für den nicht erzielten Verkaufserlös stellen.

Was ist Eingehungsbetrug, was Erfüllungsbetrug, was Internetbetrug?

Der klassische Fall des Eingehungsbetrugs ist die sog. „Zechprellerei“. Jemand betritt ein Lokal ohne Geld und in der Absicht, die von ihm in der Zukunft dort konsumierten Speisen und Getränke nicht zu bezahlen. Mit einer Bestellung beim Wirt erklärt er dann konkludent (also „durch schlüssiges Verhalten“), dass er die Speisen und Getränke bezahlen kann und will. Dann entfernt er sich. Damit liegt die Täuschung bereits bei Eingehung des Geschäfts vor, weshalb ein solcher Vorgang „Eingehungsbetrug“ genannt wird.

Vor allem im Internet kursiert dagegen der Erfüllungsbetrug. Hier liegt die Täuschung nicht beim Vertragsabschluss, sondern bei dessen Erfüllung. Der Kunde hat also bereits bezahlt, erhält seine Ware dann aber nicht. Meist wird unter dem Stichwort Internetbetrug ein Erfüllungsbetrug gemeint. Der Begriff ist jedoch kein juristischer, sondern (zumindest bislang) ein Begriff, der sich schlicht auf Betrugsphänomene im Internet bezieht (dazu zählen auch die berühmt-berüchtigten Abofallen, Phishing oder Identitätsdiebstahl).

Gewerbsmäßiger Betrug, schwerer Betrug

Von gewerbsmäßigem Betrug wird in der Regel gesprochen, wenn die Täter über längere Zeit hinweg ihre betrügerischen Handlungen als Einkommensquelle nutzen. Gewerbsmäßiger Betrug ist mithin kein eigenständiger Tatbestand, sondern eine Strafzumessungsregel, die sich in § 263 Abs. 3 StGB findet und dort auch als „schwere Fälle“ von Betrug (schwerer Betrug) gehandelt werden. Sie können mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden.

Subjektiver Tatbestand bei Betrug; versuchter Betrug

Die oben genannten vier Merkmale (Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung und Vermögensschaden) beziehen sich alle auf den sogenannten objektiven Tatbestand. Kommt ein Gericht zur Auffassung, dass diese Merkmale objektiv vorliegen, wird geprüft, ob der Täter auch vorsätzlich und mit der Absicht, sich zu bereichern gehandelt hat. Erst wenn diese subjektiven Komponenten vorliegen, handelt es sich um Betrug im Sinne des § 263 StGB vor. Auch der Versuch des Betrugs ist bereits strafwürdig (Versuchsbetrug bzw. versuchter Betrug).

Wann verjährt Betrug?

Dem Betrug ist eigen, dass das Opfer getäuscht wird. Wenn die Täuschung sehr effektiv war, dann kommen die Täter nur sehr schwer dahinter. Das ist aus Sicht des Täters auch bezweckt, denn dieser will nicht „erwischt“ werden.

Das führt dazu, dass Opfer die Taten erst sehr spät erkennen und zur Anzeige bringen. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Opfer erst Jahre nach der Täuschung und der Vermögensverfügung feststellen, dass sie betrogen worden sein könnten. Deshalb spielen Verjährungsfragen immer wieder eine erhebliche Rolle im Betrugsstrafrecht.

Wie bei allen Tatbeständen des StGB richtet sich die Verjährungsfrist (Verfolgungsverjährung), deren Beginn und deren Ruhen/Unterbrechung nach §§ 78 ff. StGB. Bei der Bestimmung ist nach § 78 Abs. 4 StGB auf die Strafdrohung für das Delikt zu achten, also die mögliche Höchststrafe ohne Berücksichtigung auf „Schärfungen und Minderungen“. Das wären beim Betrug nach § 263 StGB fünf Jahre Freiheitsstrafe.

§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bestimmt für Taten, die mit einer Strafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Nach § 78 a StGB beginnt die Verjährung im Strafrecht, sobald die Tat beendet ist. Das ist beim Betrug mit dem Abschluss der Vermögensverfügung der Fall.

Was tun, wenn Sie beschuldigt werden, einen Betrug begangen zu haben?

Machen Sie gegenüber Ermittlungsbehörden keine Angaben. Ihr Schweigen darf weder als Schuldgeständnis gewertet noch negativ gegen sie ausgelegt werden. Wie gezeigt, ist der Tatbestand des Betrugs so komplex, dass ein Anwalt für Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht in aller Regel gute Ansatzpunkte für Ihre Verteidigung findet. Als Strafverteidiger mit spezifischen Kenntnissen im Wirtschaftsstrafrecht berate und begleite ich Sie gern in allen Phasen des Ermittlungsverfahrens und kämpfe, wenn es sich nicht vermeiden lässt, auch vor Gericht für Ihr Recht. Sie erreichen mich sowohl telefonisch, per E-Mail oder über das Kontaktformular. Ich melde mich umgehend bei Ihnen zurück!