Nahezu jede zweite Krankenkasse in Deutschland wird verdächtig, die Krankheiten ihrer Versicherten falsch ans Bundesversicherungsamt zu melden. Vielfach werden die Patienten auf dem Papier kränker gemacht, als sie in Wahrheit sind. Das geht aus einem Schreiben der Behörde an den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung hervor, aus dem die Rheinische Post zitiert. 

Demnach entdeckten die Beamten bei insgesamt 59 von derzeit 134 Krankenkassen Auffälligkeiten und forderten die Kassen zu einer Erklärung auf. So muss eine BKK plausibel machen, warum in einem Jahr die Zahl der Herzinfarkte bei ihren Versicherten um mehr als 280 Prozent gestiegen ist, während sie durchschnittlich bei allen Kassen um weniger als ein Prozent in die Höhe ging. Eine Ersatzkasse verzeichnete den Angaben zufolge eine Vermehrung von Hautgeschwüren bei ihren Versicherten um mehr als 30 Prozent, während dieses Krankheitsbild im gesamten Kassensystem um 1,5 Prozent anstieg.

Für die Kassen ist es lukrativ, wenn ihre Versicherten in der Statistik schlimmere Erkrankungen aufweisen, als dies tatsächlich der Fall ist. Die Höhe der Gelder, die die Kassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, bemisst sich nach Alter und Gesundheitszustand ihrer Versicherten – je kränker die Versicherten sind, desto mehr Geld gibt es.

Den betroffenen Kassen drohen finanzielle Sanktionen: Sollte es ihnen nicht gelingen, die erheblichen Abweichungen vom Durchschnitt der Krankheitsbilder zu erklären, kann das Bundesversicherungsamt den Kassen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds kürzen.

In Deutschland sind rund 70 Millionen Menschen in einer gesetzlichen Krankenkasse. Seit 2009 erhalten die Kassen Geld aus dem Gesundheitsfonds, der beim Bundesversicherungsamt als Sondervermögen des Bundes geführt wird. Finanziert wird der Gesundheitsfonds aus Beitragseinnahmen der Krankenkassen, basierend auf einem für alle Krankenkassen einheitlichen Beitragssatz, sowie aus einem Bundeszuschuss aus Steuermitteln. Die Finanzlage der Kassen ist derzeit sehr gut. Insgesamt liegen die Überschüsse aktuell bei 29 Milliarden Euro.