Datenschutz und Meldegesetz Datensammeln und Gegenwehr

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Datenschutz und Meldegesetz - Datensammeln und Gegenwehr

Große Aufregung herrscht über das geplante Meldegesetz – aber was ist mit dem jetzigen? Welche Rechte hat der Bürger, welche der Staat? Wer gibt Adressen an wen weiter – und warum? test.de erklärt die aktuell gültige Rechtslage und sagt, wie Sie die Weitergabe Ihrer Daten in bestimmten Fällen verhindern können.

Wie die Ämter zu den Daten kommen

Jeder, der in eine Stadt oder einen Ort in Deutschland zieht, muss sich beim Einwohnermeldeamt als Bürger dieser Stadt oder Gemeinde registrieren lassen. Diese so genannte Meldepflicht ist gesetzlich festgelegt. Bei der Anmeldung nimmt das Einwohnermeldeamt zahlreiche Daten zur Person auf. Dazu gehören zum Beispiel Vor- und Familienname, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand und Religionszugehörigkeit. Rechtliche Grundlage hierfür sind das Melderechtsrahmengesetz und die jeweiligen Landesmeldegesetze. Das soll jetzt anders werden: Mit der Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für das Melderecht auf den Bund übergegangen. Ein neues Meldegesetz wird das Rahmengesetz und die Landesmeldegesetze ersetzen.

Datenaustausch unter Behörden

Die Meldeämter speichern die persönlichen Daten in so genannten Melderegistern. Sie geben diese Daten an die Meldebehörde weiter, die vor dem Umzug für die betreffende Person zuständig war, was einer Abmeldung gleichkommt. Außerdem erteilen die Meldeämter anderen Behörden oder sonstigen öffentliche Stellen Auskünfte aus dem Melderegister.

Anfragen auch für Private und Unternehmen möglich

Darüber hinaus kann jeder, der eine schriftliche Anfrage beim Einwohnermeldeamt stellt, Auskunft über andere Personen erhalten. Dieses Recht haben also nicht nur Behörden, sondern etwa auch Wirtschaftsunternehmen wie Adresshändler und Privatleute. Die Suche nach einem alten Klassenkameraden ist damit ebenso möglich wie die nach einem vermeintlich untergetauchten Schuldner. Eine völlig unbekannte Person kann auf diese Weise aber nicht gefunden werden, und ein Wirtschaftsunternehmen kann auch nicht beliebige Adressen ausspähen, also zum Beispiel fragen, wer alles in einer bestimmten Straße wohnt. Der Anfragende muss nämlich konkrete Angaben zur gesuchten Person machen. Für eine Melderegisterauskunft in Berlin muss er zum Beispiel drei Suchmerkmale nennen: in der Regel den Familiennamen, den Vornamen und das Geburtsdatum oder die letzte bekannte Berliner Meldeanschrift.

Welche Daten die Ämter herausgeben

Die Meldebehörden dürfen jedem, der eine schriftliche Anfrage stellt, eine einfache Auskunft aus dem Melderegister erteilen: Vor- und Familienname, Doktorgrad und die aktuelle Anschrift kann jeder Anfragende über jeden gemeldeten Einwohner Deutschlands leicht herausbekommen. Wer ein sogenanntes berechtigtes Interesse an der Auskunft hat und das auch nachweisen kann, bekommt noch mehr Informationen, zum Beispiel die Auskunft über frühere Anschriften, den Familienstand und das Geburtsdatum. Ein berechtigtes Interesse hat zum Beispiel ein Gläubiger, der ein Gerichtsurteil gegen seinen Schuldner erwirkt hat und auf der Suche nach ihm ist. Im Fall einer solchen erweiterten Melderegisterauskunft wird die betroffene Person unverzüglich informiert und erhält auch eine Mitteilung darüber, wer die Anfrage gestellt hat. Ausnahme: Der Anfragende hat ein rechtliches Interesse daran, dass die betroffene Person nichts von der Anfrage erfährt, wie es gerade bei einem untergetauchten Schuldner der Fall sein kann.

Widerspruch gegen Datenweitergabe in bestimmten Fällen möglich

Das Meldeamt darf die gespeicherten Daten anderen mitteilen – auch ohne Erlaubnis des Betroffenen. Bürger haben jedoch das Recht, in einigen Fällen zu widersprechen, und zwar für die Weitergabe ihrer Daten

  • an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen, wenn diese Informationen und Wahlwerbung für parlamentarische und kommunale Vertretungskörperschaften zusenden wollen,
  • an Antragsteller von Abstimmungen, Bürgerinitiativen, Bürger- und Volksbegehren,
  • an Presse, Rundfunk sowie parlamentarische und kommunale Vertretungskörperschaften, wenn sie Alters- und Ehejubiläen veröffentlichen wollen,
  • an Adressbuchverlage und Herausgeber ähnlicher Nachschlagewerke,
  • an eingetragene öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften, der der Bürger nicht angehört,
  • durch automatisierten Abruf über das Internet,
  • an Unternehmen und Einzelpersonen, wenn diese die Daten erkennbar deshalb nachfragen, um dem Bürger Direktwerbung zuzusenden (Bundesverwaltungsgericht, Az. 6 C 05/05).

Meldeamt muss Widerspruch eintragen

Den Widerspruch muss der Bürger schriftlich an das zuständige Einwohnermeldeamt richten. Einen Musterbrief für den Widerspruch bietet der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das Meldeamt trägt dann eine Übermittlungssperre ein. Darüber hinaus kann ein Bürger auch eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen, wenn er durch eine Auskunft an eine andere Person in Gefahr geraten könnte. Eine Auskunftssperre kommt zum Beispiel für einen Staatsanwalt oder Strafrichter in Betracht, der nicht möchte, dass Straftäter ihn finden können.

Direktmarketing erklärt Interesse an Daten

Auch Wirtschaftsunternehmen wie Adresshändler, Auskunfteien und Inkassounternehmen haben Interesse an Daten. Sie können aber nicht völlig fremde Personen aufspüren. Denn auch sie brauchen einige Suchmerkmale der betreffenden Person, können also eine Anfrage nur stellen, wenn ihnen einige Angaben zur Person bereits vorliegen. Adresshändler können aber zum Beispiel ihren bereits bestehenden Datenbestand abgleichen: Wohnt Karl Mustermann immer noch in der Hauptstraße? Firmen nutzen die Adressen, um beispielsweise Werbung zu verschicken. Im Gegensatz zu bloßen Wurfsendungen sind die Kataloge und sonstige Werbung mit der korrekten Anschrift versehen und landen ganz gezielt im eigenen Briefkasten. Der Weitergabe von Daten zum Zwecke des sogenannten Direktmarketings ist einer der Fälle, in denen der Bürger widersprechen kann (siehe oben).

Was Daten so wertvoll macht

Je passgenauer ein Wirtschaftsunternehmen seinen Kunden oder potenziellen Kunden mit seiner Werbesendung ansprechen kann, desto größer ist die Chance, dass er auch tatsächlich etwas kauft. Deshalb ist es nützlich, möglichst viele Informationen zusammenzutragen. Über den Namen hinaus ist deshalb zum Beispiel das Alter einer Person interessant. Das gibt das Einwohnermeldeamt aber nur bekannt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse vorweisen kann. Wie gesagt: Wirtschaftsunternehmen können sich durch Anfragen beim Meldeamt keinen neuen Kundenkreis erschließen – aber falls jemand wegzieht und keinen Nachsendeantrag stellt, können sie den verloren gegangenen Kunden wiederfinden.

Datenhandel ein blühendes Geschäft

In Deutschland gibt es zahlreiche Firmen, die mit Adressdaten handeln. Für den Datenhandel nutzen Firmen oftmals bereits bestehende Datensätze, die von Unternehmen zu Unternehmen weitergegeben werden. Grundlage hierfür ist das gesetzlich verankerte Listenprivileg: Unternehmen dürfen Adressenlisten mit Name, Anschrift, Geburtsjahr, Beruf und einem weiteren Merkmal – wie zum Bespiel „kauft Kinderkleidung“ – speichern, an Dritte weiterzugeben und für Werbezwecke, insbesondere im Direktmarketing, nutzen.

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Kommentarliste

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  • Tschepe am 16.07.2012 um 18:57 Uhr
    Datenzugriff für Parteien, Kirchen, Initiativen

    Danke für die Reaktion, da hatte ich tatsächlich etwas unpräzise gelesen. Dennoch: Die Grenze von Parteien und Kirchen (NPD? Zeugen Jehovas?) und Bürgerinitiativen zu Privatpersonen finde ich sehr dünn. Oder Presse und Rundfunk (Bild, RTL), wie ermitteln die Alters- und Ehejubiläen? Doch nicht, indem sie konkrete Namen abfragen? Ich finde das nebulös, lieber wäre mir, wenn keine Daten herausgegeben würden, schon gar nicht an Parteien und so. opt-in statt opt-out. Ich halte zu viele Gruppierungen für nicht vertrauenswürdig. Ferner reicht zum Datenleck EIN Mitarbeiter, der sich nebenbei im "blühenden Geschäft" des Datenhandels etwas dazuverdienen möchte. --- Das Melderegister wird jetzt zentralisiert? Toll, dann kursiert demnächst auch eine CD mit sämtlichen deutschen Meldedaten auf dem Schwarzmarkt – wie in Israel vor ein paar Jahren!

  • test.de-Leserservice_Maack am 16.07.2012 um 17:16 Uhr
    Zur Ausgabe von Adresslisten

    Entgegen Ihrer Ansicht besteht kein Widerspruch. Gänzlich unbekannte Personen können von Privatleuten und Wirtschaftsunternehmen nicht gefunden werden. Deren Anfrage muss sich auf eine bestimmte Person beziehen, das heißt: Der Anfragende muss konkrete Angaben zur gesuchten Person machen. Wirtschaftsunternehmen können so zum Beispiel – wie im Artikel beschrieben – ihre bereits existierenden Datenbestände überprüfen. Wenn die Daten dabei erkennbar deshalb nachgefragt bzw. überprüft werden, um Direktwerbung zuzusenden, kann der Bürger dem widersprechen. Parteien oder Wählergruppen gelten nicht als Privatperson oder Unternehmen. Deshalb kommen für sie andere Vorschriften zur Anwendung als für Private und Unternehmen.

  • test.de-Leserservice_Maack am 16.07.2012 um 12:03 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.

  • Tschepe am 14.07.2012 um 18:52 Uhr
    Widersprüchlich bezüglich Ausgabe von Adresslisten

    Ich finde den Artikel unpräzise und widersprüchlich. Im Absatz "Anfragen auch für Private und Unternehmen möglich" heißt es, dass unbekannte Personen so nicht gefunden werden können, weil spezifische Angaben nötig sind. Im Absatz "Widerspruch gegen Datenweitergabe in bestimmten Fällen möglich" dagegen erfährt man, dass offenbar doch Listen an Unternehmen und andere Freaks (Parteien, Sekten o.ä.) herausgegeben werden. Häh? --- Das Datenschutzgesetz liest sich ganz anders: Personenbezogene Daten dürfen nicht erfasst, gespeichert und weitergegeben werden, außer in begründeten Ausnahmen. Ferner will ich als Herr meiner Daten Informationen über jeden einzelnen Zugriff (Weitergabe) meiner Daten, wann, an wen, warum. Nur aus Neugier: Ab wann gibt es Promi-Bonus? Warum gibt es den nicht gleich für alle?

  • Templarii am 14.07.2012 um 18:15 Uhr
    Datenschutz

    Der Datenschutz sollte eigentlich vor Mißbrauch der übertragenen Daten schützen - im Krankenhaus ist der Datenschutz oft ausgeklammert oder
    wird ignoriert. Ärzte, Krankenschwestern sind nur gelangweilt wenn sie darauf angesprochen werden - es warten keine hohen Strafen - vielleicht eine Ermahnung und die landet in der Ablage Papierkorb.
    Datenschutz muß erkennbar verfolgt werden - Was nützen Gesetze wenn
    Verstöße niemand interessieren. DatenschutzTätigkeitsberichte veröffentlicht werden - sie aber niemand konsequent durchsetzt weil der der Rechtschutz fordert, ihn selber bezahlen muß. Solange bleiben wir die
    dummen - Steuerzahler mit eingeschränkten Rechten.