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  5. Rentensystem in Österreich: 40 Prozent mehr Rente als in Deutschland

Selbst Wirtschaftsweiser war überfragt: Staunen bei "Illner": Warum gibt es in Österreich 40 Prozent mehr Rente?
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  • FOCUS-online-Autorin

Mit einem Beispiel aus dem österreichischen Rentensystem erwischte Maybrit Illner ihre Gäste am Donnerstagabend kalt: Wie kann es ein, dass ein Österreicher bei gleichem Bruttoreinkommen fast 40 Prozent mehr Rente bekommt als ein Deutscher? FOCUS Online erklärt den Hintergrund.

Am Donnerstagabend ging es in der Show von Maybrit Illner um das Thema Rente – bis ein Praxis-Beispiel plötzlich sämtliche Teilnehmer verstummen ließ: In einem Einspieler wurden die Renten eines Österreichers und eines Deutschen miteinander verglichen. Das Ergebnis: Der österreichische Facharbeiter bekommt im Alter 40 Prozent mehr Rente als der deutsche. Dabei verdienen beide das gleiche Bruttogehalt.

Wie kann das sein? Auch Illners Gäste konnten sich das nicht erklären: Weder der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt noch der Uni-Professor Antonio Brettschneider waren in der Lage, die Diskrepanz zu erklären.

FOCUS Online hat nachgefragt und klärt die Unterschiede auf.

Das Beispiel aus der Sendung

Zwei Facharbeiter  verdienen je rund 50.000 Euro im Jahr. Einer arbeitet als Schweißer bei Lufthansa Technik in Hamburg arbeitet in Deutschland, der andere als Elektriker bei einem Autohersteller in  Österreich. Wenn der Deutsche (Jahresbrutto 52.000 Euro) in Rente geht, kann er aus der gesetzlichen Rentenkasse mit einer monatlichen Zahlung von 2211 Euro rechnen.

Der Österreicher (Jahresbrutto 49.000 Euro) kann dagegen laut seinem Rentenbescheid mit 2956 Euro Rente rechnen - und das sogar 14 mal im Jahr, weil Rentner in der Alpenrepublik auch Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen. Auf den Monat gerechnet sind das rund 3500 Euro brutto.

Damit kommt der Österreicher auf eine Jahresrente von 41.384 Euro, der Deutsche aber nur auf 26.539 Euro. Ein Unterschied von fast 40 Prozent.

Im Video: Rentenexperte: Nahles hat die Rente ungerechter gemacht

Die Erklärung:

So funktioniert das deutsche Rentensystem

Die Rente in Deutschland setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: den Entgeltpunkten und dem Rentenwert. Diese werden miteinander multipliziert.

Für jedes Jahr, das Sie arbeiten, erhalten Sie von der Deutschen Rentenversicherung Entgeltpunkte. Je mehr sie verdienen, desto mehr Punkte gibt es. Einen Punkt bekommen Sie aktuell, wenn Sie 3022 Euro im Monat verdienen. So hoch liegt aktuell das Durchschnittsgehalt in Deutschland. Für jeden Punkt schreibt die Deutsche Rentenversicherung aktuell einen Rentenwert von 30,45 Euro gut.

Ein Durchschnittsverdiener sammelt während seiner Berufslaufbahn in der Regel zwischen 40 und 48 Entgeltpunkte an. Damit stehen ihm, je nach Arbeits-, Kinder- und Renteneinzahlungszeit, zwischen 1218 und 1461 Euro Rente zu. Arbeitnehmer können ihre Rente zusätzlich aufstocken, in dem sie in die staatlich geförderte Riester-Rente einzahlen, privat vorsorgen oder eine Betriebliche Altersvorsorge nutzen.

Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt in Deutschland aktuell 18,7 Prozent. Diesen Beitrag teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte. Beide zahlen also 9,35 Prozent des Bruttogehalts ein.

Wie hoch wird Ihre Rente?

Wie funktioniert das Rentensystem in Österreich?

In Österreich sichert die gesetzliche Rentenversicherung den Lebensstandard der Pensionäre komplett ab, weitere Säulen der Altersvorsorge (Riester, betriebliche Rente) werden nicht staatlich gefördert.

Die Sozialabgaben zur Rentenversicherung betragen dort 22,8 Prozent des Bruttogehalts, liegen also höher als in Deutschland. Davon trägt der Arbeitnehmer 10,25 Prozentpunkte, also weniger als die Hälfte. 12,55 Prozentpunkte zahlt der Arbeitgeber.

In Österreich zahlen außerdem alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung ein, auch Selbstständige. Ausgenommen sind lediglich Beamte, deren Pensionen aus einem anderen Topf bestritten werden.

Alle Personen ab dem Jahrgang 1955 besitzen ein sogenanntes Pensionskonto. Für jedes Jahr, in dem sie erwerbstätig waren, wird ihnen dort vom Staat 1,78 Prozent ihres jährlichen Bruttoverdienstes gutgeschrieben. Der Höchstbetrag liegt bei 4980 Euro brutto im Monat. Erreicht ein Arbeitnehmer das Renteneintrittsalter, wird die angesammelte Summe auf dem Pensionskonto durch 14 geteilt. Daraus ergibt sich die monatliche Bruttorente.

In Österreich sind für Erwerbstätige 14 Monatsgehälter üblich, es gibt also volles Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In diesen Genuss kommen auch die Rentner.

Beispielrechnung mit 50.000 Euro Bruttojahresgehalt

50.000 Euro mal 1,78 Prozent macht 890 Euro, die einem Erwerbstätigen in Österreich in diesem Jahr auf dem Pensionskonto gutgeschrieben werden. Arbeitet ein Muster-Angestellter 40 Jahre zum gleichen Gehalt, ergibt das: 890 Euro mal 40 geteilt durch 14 = 2543 Euro monatliche Bruttorente.

Fazit

„Aus deutscher Sicht ist die Ausgestaltung der österreichischen Rentenversicherung als Erwerbstätigenversicherung geradezu revolutionär“, heißt es in einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die beide Rentensysteme miteinander verglichen hat.

Österreich zeige, dass der Einbezug der Selbstständigen und Beamten wirtschaftlich und rechtlich möglich und umsetzbar sei. Diesen Schritt hat Bundessozialministerin Andrea Nahles am Freitag auch für Deutschland vorgeschlagen.

Auch für Deutschland sei zu diskutieren, wie Schritte in Richtung einer Erwerbstätigenversicherung unter Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen aussehen könnten. Ein solcher Einbezug hätte nach Ansicht der Experten positive Auswirkungen auf Beitragssatzentwicklung und Rentenniveau. Auch zukünftig werde es nicht zu einer generellen Absenkung des Rentenniveaus kommen.

Allerdings hat das österreichische System auch Nachteile: Beamte und Spitzenverdiener mit über 70.000 Euro Bruttojahresgehalt müssen wegen der Deckelung beim Pensionskonto deutliche Einbußen hinnehmen.

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