Deutsche Rentenversicherung

Gesamtbetrachtung - selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung

Entscheidendes Tatbestandsmerkmal bei der Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung – mit der Folge der Sozialversicherungspflicht – ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV und der Rechtsprechung des BSG die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vom Arbeitgeber. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag.

Dabei lassen sich abstrakte, für alle Beschäftigungsverhältnisse geltende Kriterien nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienst- oder Werkverträge erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Eine selbständige Tätigkeit ist durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Abgrenzungskriterien

Um die Frage der persönlichen Abhängigkeit (Nichtselbstständigkeit) korrekt beantworten zu können, sind die folgenden Merkmale zu berücksichtigen und der Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen:

  • Weisungsgebundenheit (kann sich bei Hochqualifizierten und Spezialisten in einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ausdrücken).
  • Eingliederung in den Betrieb.
  • Keine Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit kennzeichnet das Beschäftigungsverhältnis.
  • Keine eigene Betriebsstätte.
  • Keine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitstätigkeit. Die Merkmale der freien Gestaltung der Tätigkeit finden sich in § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) für den Begriff des Handelsvertreters: „Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Die Rechtsprechung des BSG hat die zum HGB normierten Tatbestandsmerkmale als einen allgemeinen Rechtsgedanken zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit gewertet.
  • Keine Tragung des Unternehmerrisikos. Ein Unternehmerrisiko trägt, wer eigenes Kapital oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt.
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit.
  • Vereinbarung, Lohnabzüge vornehmen zu lassen.
  • Vereinbarung von Urlaub,
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Zusätzlich zu den genannten Abgrenzungskriterien kann zur Beurteilung des Gesamtbilds einer Beschäftigung oder Tätigkeit auch die steuerliche Behandlung der erzielten Einkünfte Indiz für die versicherungsrechtliche Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit sein.

Das BSG hat darüber hinaus folgende weitere Kriterien entwickelt, die bei der Abgrenzung der Selbstständigkeit von der Abhängigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung aller die jeweilige Tätigkeit prägenden Umstände herangezogen werden können:

  • Besteht seitens des Auftragnehmers Entscheidungsfreiheit darüber, wann und wie viel Betriebsmittel/Transportmittel/Produktionsmittel angeschafft werden und wie die Anschaffung finanziert wird?
  • Liegt Entscheidungsfreiheit des Auftragnehmers über die Zahlweise der Kunden (z. B. sofortiger Bareinzug, Stundungsmöglichkeiten usw.) vor?
  • Besteht Dokumentationspflicht des Auftragnehmers über seine Arbeit (detaillierte Berichtspflicht)?
  • Existiert Entscheidungsspielraum des Auftragnehmers bezüglich Preiskalkulation sowie Aufbau von Vertrauen unter Geschäftsleuten?
  • Sind beim Auftragnehmer eigene Betriebsmittel (z. B. Pkw) vorhanden?
  • Setzt der Auftragnehmer eigenes Betriebskapital ein?
  • Werden die Leistungen ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erbracht?
  • Ist dem Auftragnehmer eigene Kundenakquisition erlaubt?
  • Haftet der Auftragnehmer dem Auftraggeber bei Schäden an Produktion oder Produktionsgütern bzw. Produktionsmitteln, wenn der Auftraggeber von einem Kunden in Anspruch genommen wird?
  • Sind Auftragsvertrags- und Überwachungssysteme so ausgestaltet, dass eine laufende Kontrolle (z. B. über ein Betriebs-Funksystem) für den Auftraggeber jederzeit möglich ist?
  • Hat der Auftragnehmer eigene Werbungsmöglichkeiten?
  • Unterhält der Auftragnehmer eigene Geschäftsräume?
  • Führt der Auftragnehmer Geschäftsbücher?
  • Benutzt der Auftragnehmer eigene Firmenbriefbögen?
  • Bezieht der Auftragnehmer festes Gehalt oder ist er vor allem am Umsatz beteiligt?
  • Wie werden die Einkünfte durch das Finanzamt bewertet?
  • Erzielt der Auftragnehmer erheblich höhere Einkünfte als ein vergleichbar Beschäftigter und ist dadurch eine soziale Absicherung in Eigenvorsorge möglich? Die Honorarhöhe ist Ausdruck des Parteiwillens und spielt nur dann eine Rolle, wenn sich die Argumente für abhängige Beschäftigung und selbständige Tätigkeit ansonsten gegenseitig aufheben.

Unsere Leseempfehlung

%>

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir möchten gerne unsere Webseite verbessern und dafür anonyme Nutzungsstatistiken erheben. Dürfen wir dazu vorübergehend ein Statistik-Cookie setzen? Hierbei wird zu keiner Zeit Ihre Nutzung unserer Webseite mit persönlichen Daten in Verbindung gebracht.
Weitere Informationen finden Sie in der Datenschutzerklärung. Auf dieser Seite ist auch jederzeit der Widerruf Ihrer Einwilligung möglich.

OK