Auf Bildern zeigte sich Klaus Ross oft wie ein Arzt – im weißen Kittel mit Stethoskop, mitfühlend über einen Patienten gebeugt. Die Botschaft: Dieser Mann weiß, was er tut. Doch Klaus Ross ist kein Arzt, er ist ein Heilpraktiker, der bis vor Kurzem ein alternatives Krebszentrum leitete.

Was er den Menschen dort womöglich verabreichte, war kein Medikament, sondern eine chemische Substanz im experimentellen Status. Nun sind vier seiner Patienten tot, weshalb ist noch nicht klar. Sie stammen aus Belgien und den Niederlanden und starben innerhalb von Tagen nach der Behandlung durch den Heilpraktiker. Zwei weitere mussten ins Krankenhaus.

Ross widme sich ganz dem alternativen Ansatz bei Krebs, war bis vor Kurzem auf seiner Internetseite zu lesen, auf der er sogar auf die Todesfälle einging. Trotz der Vorfälle glaube er zu 100 Prozent an seine Philosophie, hieß es dort. Wer auf die Internetseite seines Zentrums geht, erhält inzwischen eine 404-Meldung. Auch auf Facebook wurden alle Einträge gelöscht. Unter Kollegen gilt Ross als zuverlässiger Heilpraktiker, der sich stets um seine Patienten bemühte.

Der Fall einer Niederländerin löst die Ermittlungen aus

Was also geschah am Biologischen Krebszentrum Bracht in Brüggen im Kreis Viersen? Sicher ist, dass am 27. Juli in der Heilpraktiker-Praxis mindestens fünf Menschen behandelt wurden. Infolgedessen starb laut eines Polizeiberichts am 28. Juli eine 55-jährige Belgierin, am 29. Juli ein 55-jähriger Niederländer und am Folgetag eine Niederländerin: Anders als die anderen Patienten wurde letztere mit ihren Beschwerden in ein Krankenhaus in Mönchengladbach eingeliefert. Dort verständigten Mediziner sowohl die Polizei als auch das Gesundheitsamt in Viersen. Noch vor dem Tod der Frau ließ die Staatsanwaltschaft die Praxisräume von Klaus Ross durchsuchen und stellte Patientenakten und Substanzen sicher.

Schon gut eine Woche zuvor war eine 55-jährige Belgierin gestorben, die am 18. und am 19. Juli in der Praxis von Klaus Ross therapiert worden sein soll, wie die belgische Zeitung La Dernière Heure online berichtet. Am 20. Juli wurde der an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten Patientin übel. Ross soll dies angeblich damit erklärt haben, dass er erstmals eine Substanz eines amerikanischen Herstellers verwendet habe, um die Frau zu behandeln. In der folgenden Nacht ging es der Frau zunehmend schlechter. Als sie heftige Krämpfe bekam, wurde sie ins Krankenhaus von Nimwegen eingeliefert. Nur wenige Stunden später starb sie.

Sie bekamen wohl ein Mittel, weder zugelassen noch erprobt

In allen Fällen könnte es sich bei der verabreichten Substanz um 3-Bromopyruvat handeln. Diesen und weitere Stoffe sollen die Patienten über Infusionen erhalten haben. 3-Bromopyruvat wird unter einigen Medizinern derzeit als Mittel diskutiert, mit dem man Tumore bekämpfen könne. Es ist jedoch weder als Medikament zugelassen, noch existieren aussagekräftige Studien über die Wirkung am Menschen.

Die Idee, die hinter einer Therapie mit 3-Bromopyruvat steckt, ist es, Tumorzellen vorzugaukeln, sie seien bereits ausreichend mit Energie versorgt. Das soll ihr Wachstum hemmen und sie aushungern. Tatsächlich entsteht im Körper selbst auch Pyruvat, wenn Körperzellen Zucker in Energie umwandeln. Vor allem aggressive Tumore brauchen Zucker, um zu wachsen. Deshalb entsteht auch dabei Pyruvat. Es ist aber nicht nur ein einfaches Zwischenprodukt. Sobald es in noch höheren Mengen Zellen überschwemmt, schädigt es diese.

Statt den Notarzt zu rufen, verabreichte der Heilpraktiker Vitamine

Ist die 3-Bromopyruvat-Therapie von Klaus Ross der Grund für den Tod seiner Patienten? Darüber gibt es keine genauen Erkenntnisse. Bekannt ist nach Informationen des Kreises Viersen bislang nur, dass Ross es versäumt haben soll, für seine Patienten, die plötzlich unter Schwindelanfällen, Verwirrtheitszuständen und Krämpfen gelitten haben sollen, den Notarzt zu alarmieren. Stattdessen versorgte er sie angeblich mit Vitaminen. Die zuständige Amtsärztin erstattete daraufhin Anzeige. "Ob es zu einer Anklage kommt, oder gegen was diese sich richtet, obliegt der Staatsanwaltschaft", sagte ein Sprecher des Kreises Viersen. Die gibt genau wie die Polizei derzeit "aus ermittlungstaktischen Gründen" kaum Informationen heraus.

Dafür warnt die Polizei vor einem konkreten Gesundheitsrisiko für Patienten, "die sich in (Klaus Ross') Krebszentrum einer Behandlung unterzogen haben" und bittet sie, sich beim Gesundheitsamt in Viersen unter der Telefonnummer 02162/391503 zu melden. Bislang kamen 26 Menschen – 18 aus den Niederlanden und 8 aus Deutschland – diesem Aufruf nach. Ob es sich bei den Deutschen um Patienten oder Angehörige handelt, wurde nicht bekanntgegeben.