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Ursula von der Leyen Ursula von der Leyen © KAS/Liebers

Ursula von der Leyen (geb. Albrecht)

Ärztin, Landesministerin, Bundesministerin, Präsidentin der EU-Kommission Dr. med. 8. Oktober 1958 Ixelles/Elsene, Belgien
von Christine Bach

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Übersicht – Springen Sie in die jeweiligen Abschnitte:

Herkunft und Ausbildung

Ärztin und Mutter

Von der Kommunal- in die Landespolitik

Bundespolitischer Aufstieg

Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Erste Frau an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums

Zweite Amtszeit als Bundesverteidigungsministerin

Engagement für Europa

 

Herkunft und Ausbildung

Als drittes von sieben Kindern kam Ursula Albrecht, so ihr Geburtsname, am 8. Oktober 1958 in Brüssel zur Welt. Ihre Mutter, Heidi Adele Albrecht (geb. Strohmeyer), eine promovierte Germanistin, widmete sich seit der Geburt des ersten Kindes ganz der Familie. Ihr Vater, der Volkswirt Ernst Albrecht, machte Karriere innerhalb des Beamtenapparats der Europäischen Gemeinschaften. Von 1964 bis 1971 besuchte Ursula Albrecht die Europäische Schule in Brüssel, an der sie mehrere Fremdsprachen erlernte. Nachdem Ernst Albrecht bei den niedersächsischen Landtagswahlen im Jahr 1970 für die CDU ein Mandat gewann, zog die Familie von Brüssel nach Ilten bei Hannover um. Sechs Jahre später wurde Ernst Albrecht überraschend Ministerpräsident in Niedersachsen, ein Amt, das er bis 1990 innehatte. Von nun an erfuhr auch die Familie wachsende mediale Aufmerksamkeit. Ursula Albrecht wurde deshalb früh an öffentliche Auftritte gewöhnt.

Fleiß und das Streben nach Bildung waren wichtige Erziehungsziele im Hause Albrecht. Einen Unterschied zwischen dem Mädchen Ursula und ihren Brüdern machten die Eltern in dieser Hinsicht nicht. Prägend für die spätere Politikerin war außerdem, dass ihr Vater seinen Kindern ein positives Verständnis von Politik vermittelt hat. Stets habe sie, so berichtete sie im Rückblick, bei ihm „diese Leidenschaft gespürt, etwas zu gestalten, zu verändern und zu verbessern im Land“ (von Welser 2007).

Ihr Abitur am mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium in Lehrte bestand sie mit der Note „sehr gut“. Anschließend studierte sie Volkswirtschaftslehre in Göttingen, Münster und London. Aus dem Wunsch heraus, „mehr mit Menschen“ zu tun haben zu wollen, wechselte sie nach drei Jahren das Studienfach und begann ein Studium der Medizin in Hannover. 1987 legte sie in diesem Fach das Staatsexamen ab, die Approbation als Ärztin folgte.

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Ärztin und Mutter

1986 heiratete von die junge Ärztin den Mediziner Heiko von der Leyen. Zwischen 1987 und 1999 bekam das Paar sieben Kinder. Ursula von der Leyen arbeitete in dieser Zeit zunächst als Assistenzärztin (1988-1992), 1991 wurde sie zum Dr. med. promoviert. Zwischen 1992 und 1996 lebte sie mit ihrer Familie in Stanford/ Kalifornien. Von der Leyen nutzte diese Zeit, um sich als Gasthörerin an der Stanford University weiterzubilden. Für die Stanford Health Services Hospital Administration führte sie eine Marktanalyse durch. Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland nahmie 1997 ein Aufbaustudium auf, das sie 2001 mit dem „Master of Public Health“ abschloss. Anschließend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medizinischen Hochschule Hannover in der Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitsmedizinforschung tätig.

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Von der Kommunal- in die Landespolitik

Als „Seiteneinsteigerin“ wechselte Ursula von der Leyen vergleichsweise spät, im Alter von 43 Jahren, von der Medizin in die Politik. In die CDU trat sie 1990 ein. Auslöser für ihren Parteibeitritt war die Niederlage ihres Vaters gegen Gerhard Schröder im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Nachdem sie mit ihrer Familie aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt war, widmete sie sich zunächst im Ehrenamt Themen, für die sie später als Berufspolitikerin Verantwortung übernehmen sollte: So war sie von 1996–1997 Mitglied im Landesfachausschuss Sozialpolitik der CDU Niedersachsens, 1999 gehörte sie dem Arbeitskreis Ärzte des Landesverbands an. Bei den niedersächsischen Kommunalwahlen im Jahr 2001 wurde sie als Ratsfrau in den Stadtrat Sehnde gewählt. Sie übernahm den Vorsitz der CDU-Fraktion und wurde zur stellvertretenden Bürgermeisterin ernannt. Der Regionalversammlung Hannover gehörte sie von 2001 bis 2004 an.

Sehr schnell gelang der politischen Aufsteigerin der Sprung von der Kommunal- in die Landespolitik. Vor der niedersächsischen Landtagswahl im Frühjahr 2003 zählte von der Leyen bereits als potenzielle Ministerin zum „Zukunftsteam“ des CDU-Landesvorsitzenden und Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten Christian Wulff. Die CDU Niedersachsens befand sich zu diesem Zeitpunkt seit 13 Jahren in der Opposition. Im Wahlkampf warb die Politikerin für Themen, die sie selbst in hohem Maß betrafen: die Vereinbarkeit von Beruf und Kind und bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Bei der Landtagswahl am 2. Februar gewann sie für die CDU mit 44,2 % der Zweitstimmen den Wahlkreis Lehrte, den früher auch ihr Vater vertreten hatte. Auf Landesebene erreichte die CDU mit 48,3 % der Zweitstimmen einen überragenden Wahlerfolg. Am ersten Tag der neuen Legislaturperiode, am 4. März 2003, wurde Ursula von der Leyen als Landesministerin für Soziales, Frauen und Gesundheit vereidigt.

Von der Leyens Handlungsspielraum als Landesministerin war eng, denn ein strikter Sparkurs bestimmte die Politik der Landesregierung unter Christian Wulff. Die „Generalüberholung“, die der neue Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung angekündet hatte, betraf auch den Haushalt des Sozialministeriums. Zu heftigen Protesten von Betroffenen und Sozialverbänden kam es, als die Landesregierung zum 1. Januar 2005 das einkommensunabhängige Blindengeld strich. Von der Leyen rechtfertigte diese Maßnahme mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Sparmaßnahmen. Durch Einzelkürzungen wolle die Regierung das soziale Netz insgesamt retten. Dem Zweck der Haushaltskonsolidierung diente auch die Privatisierung der Landeskrankenhäuser, die das Sozialministerium in ihrer Amtszeit einleitete. Eigene familienpolitische Akzente setzte sie mit einem Programm zur Förderung von Mehrgenerationenhäusern, das sie 2003 auf den Weg brachte.

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Bundespolitischer Aufstieg

Ursula von der Leyen gehörte zu einer neuen Generation von Politikern und Politikerinnen, die angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel eine Neuvermessung sozialpolitischer Konzepte vornahmen. Im Zuge der programmatischen Erneuerung der CDU war sie in den Jahren 2003 und 2004 an der Ausarbeitung verschiedener Entwürfe zur Reform der sozialen Sicherungssysteme beteiligt. Im Februar 2004 übernahm die das Amt der  stellvertretenden Vorsitzenden des „Bundesfachausschuss Gesellschafts- und Sozialpolitik der CDU Deutschlands“. Die Schwesterparteien CDU und CSU stritten in diesem Jahr um einen möglichen Systemwechsel im Gesundheitswesen. Von der Leyen gehörte zu den Befürwortern einer Abkoppelung der Gesundheits- von den Lohnkosten. An der Seite der Parteivorsitzenden Angela Merkel warb sie für das Konzept einer einheitlichen Gesundheitsprämie mit steuerfinanziertem Sozialausgleich, das die CDU auf dem Leipziger Parteitag (17. Parteitag der CDU vom 01.–02.12.2003 in Leipzig „Deutschland kann mehr“) beschlossen hatte.

Das wachsende Medieninteresse an ihr als Ministerin und Mutter von sieben Kindern nutzte sie, um in Interviews und Artikeln auf zentrale Probleme der Familien- und Sozialpolitik wie die niedrige Geburtenrate und die Schwierigkeit für Frauen, Kinderwunsch und Karriere zu vereinbaren, aufmerksam zu machen. Die CDU solle, so die Forderung von der Leyens im Interview mit dem „Spiegel“ im November 2004, ihre Kompetenz bei der Sozialpolitik wieder stärker herausstellen. In den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit stellte sie zu dieser Zeit stets die Familie: „Nur wenn es Kinder gibt, bleiben die Sozialsysteme bezahlbar und wird es Wirtschaftsdynamik geben.“ Als der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz, bei der Wahl zum CDU-Präsidium am 8. Dezember 2004 durchfiel, schlug er von der Leyen als neue Kandidatin vor. Mit 94,1%, dem besten Ergebnis aller Kandidaten, wurde sie ins Präsidium gewählt und gehörte von nun an zur Parteispitze der CDU.

Im Frühjahr 2005 wurde Ursula von der Leyen mit der Leitung der neu eingesetzten CDU-Kommission „Eltern-Kinder-Beruf“ beauftragt. Hauptthema der Kommission war die Frage der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf und die Verankerung dieses Themas im CDU-Programm. Nachdem es aufgrund der vorzeitigen Auflösung des 15. Deutschen Bundestags im September zu Neuwahlen kam, berief Kanzlerkandidatin Angela Merkel Ursula von der Leyen als Expertin für Familien- und Gesundheitspolitik in ihr Kompetenzteam.

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Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Da bei der Bundestagswahl am 18. September 2005 weder schwarz-gelb noch rot-grün eine eindeutige Mehrheit der Wählerstimmen erhielten, kam es zu Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/ CSU und SPD. Für die CDU leitete Ursula von der Leyen die Arbeitsgruppe, die die familienpolitischen Ziele der neu zu bildenden Regierung abstecken sollte. Am 22. November 2005 wurde das neue Kabinett unter Angela Merkel vereidigt, ihm gehörte Ursula von der Leyen als Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an.

Ihr Amt als Bundesministerin füllte sie mit großer Energie und Zielstrebigkeit aus. „Mehr Kinder in den Familien“ und „mehr Familie in der Gesellschaft“ lautete das Motto, unter das sie ihre Tätigkeit stellte. Zentrale Projekte des Familienministeriums in dieser Amtszeit waren die Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes zum 1. Januar 2007, das Kinderförderungsgesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung vom 16. Dezember 2008 und das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser, mit dem von der Leyen an ihre Tätigkeit als niedersächsische Sozialministerin anknüpfte. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb der Union sorgte der Kurs der neuen Familienministerin für kontroverse Diskussionen. Hoch umstritten waren vor allem die so genannten „Vätermonate“, also zwei zusätzliche Monate, in denen Familien mit kleinen Kindern über die Regelzeit von 12 Monaten hinaus Elterngeld beziehen konnten, sofern beide Elternteile den Nachwuchs mindestens zwei Monate lang zu Hause betreuen würden.  Parteiinterne Kritiker sahen in dieser Maßnahme einen unzulässigen Eingriff des Staates in private Belange. Von der Leyen betonte dagegen den „Angebotscharakter“ der Förderung. Angesichts der niedrigen Geburtenrate und der Folgekosten des demografischen Wandels sei es ein Gebot der Familienpolitik auch Männern, die sich der Erziehung ihrer Kinder widmeten, „den Rücken zu stärken“. Auch das Kinderförderungsgesetz, das Bund, Länder und Kommunen zur Schaffung von Betreuungsmöglichkeit für 35 % der Kinder unter 3 Jahren bis zum Jahr 2013 verpflichtete, provozierte Kritik von konservativer Seite. Nachdem der Augsburger Bischof Walter Mixa Ursula von der Leyen eine einseitige Fixierung auf die Doppelverdiener-Ehe und die Degradierung von Frauen zu „Gebärmaschinen“ vorwarf, sprangen ihr führende CDU-Politiker, wie Bundeskanzlerin Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert, zur Seite. Zustimmung wie Ablehnung zeugten letztlich davon, dass es Ursula von der Leyen gelungen war, das Thema Familienpolitik ins Zentrum der öffentlichen Debatte zu rücken. Dass sie Auseinandersetzungen in- und außerhalb der Partei nicht aus dem Weg ging, sondern mit dem Anspruch auftrat, selbst Themen zu setzen, zu Diskussionen anzuregen und somit die Weiterentwicklung christlich-demokratischer Politik mit zu gestalten, war grundlegend für ihren politischen Erfolg.

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Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 bewarb sich von der Leyen erstmals um ein Mandat und zog über die Landesliste als Abgeordnete der CDU Niedersachsens in den Deutschen Bundestag ein. Nach der Bildung der Koalition zwischen CDU/ CSU und FDP wurde sie am 28. Oktober 2009 erneut als Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend vereidigt. Ihre zweite Amtszeit als Bundesfamilienministerin war jedoch nur kurz. Nach dem Rücktritt von Franz-Josef Jung als Bundesminister für Arbeit und Soziales kam es zu einer Kabinettsumbildung. Am 30. November 2009 wechselte Ursula von der Leyen an die Spitze des Bundesarbeitsministeriums und übernahm damit eines der Schlüsselressorts der Regierung.

Auch als Bundesarbeitsministerin setzte sie sich für die Belange von Familien („Bildungspaket“ als Bestandteil der Hartz IV-Reform vom 25. Februar 2011) und berufstätigen Frauen (Forderung nach einer „Frauenquote“ in den Vorständen DAX-notierter Unternehmen) ein. Weitere Schlüsselthemen ihrer Amtszeit waren die Bekämpfung der Armut älterer Menschen und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Mit Blick auf das Problem des Lohndumpings in einzelnen Wirtschaftsbranchen forderte sie einen von Gewerkschaften und Arbeitgebern paritätisch ausgehandelten „marktwirtschaftlichen Mindestlohn“. Beim 23. Parteitag der CDU in Karlsruhe wurde sie am 15. November 2010 zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

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Erste Frau an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums

Bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 wurde von der Leyen erneut über die Landesliste der CDU Niedersachsens in den Deutschen Bundestag gewählt. CDU und CSU erhielten bei der Wahl 41,5 Prozent der Wählerstimmen und bildeten damit die größte Fraktion. Nach dreimonatigen Koalitionsverhandlungen fiel die Entscheidung zur Bildung einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Durch die Regierungsneubildung sah sich von der Leyen mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Am 17. Dezember 2013 wurde sie in der Nachfolge Thomas de Maizières zur Bundesverteidigungsministerin ernannt. Sie war die erste Frau in diesem Amt und wurde deshalb besonders kritisch beobachtet. Nach ihrer Vereidigung bekannte sie, sie sei "bereit zu lernen" und habe einen "Mordsrespekt" vor der neuen Aufgabe.

Dass sie eine Frau ist und selbst keine militärischen Erfahrungen vorzuweisen hat, wurde in den ersten Monaten ihrer Amtszeit noch häufig thematisiert, doch mit der Zeit gewöhnte sich die deutsche Öffentlichkeit an das Bild einer Frau als oberste Dienstherrin der Bundeswehr.

Wegen der Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 und des Umbaus der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee zählte die Rekrutierung von geeignetem Personal zu den drängendsten Problemen der Truppe. Von der Leyen verkündete deshalb bereits kurz nach ihrer Vereidigung, sie wolle die Bundeswehr „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands“ machen. Hierbei konnte sie auf ihre Erfahrungen als Familienministerin zurückgreifen: so setzte sie auf den Ausbau der Kinderbetreuung und verstärkte Teilzeitmöglichkeiten. Im Mai 2014 eröffnete sie auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität in München die erste Kinderkrippe der Streitkräfte. Einen weiteren starken Akzent setzte sie nur kurz nach ihrem Dienstantritt, als sie sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 für ein stärkeres außen- und sicherheitspolitisches Engagement der Bundesrepublik aussprach: „Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht.“

Das Dauerthema ihrer Amtszeit war jedoch die Modernisierung des Beschaffungswesens. Um das Rüstungs- und Beschaffungswesen des BMVg neu aufzustellen, engagierte sie im Sommer 2014 die McKinsey-Direktorin Karin Suder als beamtete Staatssekretärin – ein Schritt, der ein Novum in der Geschichte des Verteidigungsressorts darstellte. Im Januar 2016 konnte von der Leyen ein „Trendwende“ verkünden: Erstmals seit 1990 stellte das Verteidigungsministerium wieder mehr Personal ein, statt zu sparen. Für die Periode 2014 bis 2018 genehmigte der Bundestag Rüstungsprojekte in Höhe von rund 32 Milliarden Euro, in der vorherigen Legislaturperiode waren es dagegen nur sechs Milliarden. Dieser Bedeutungszuwachs der Verteidigungspolitik resultierte jedoch nicht allein aus dem Wirken von der Leyens, sondern war eine Folge neuer Bedrohungen, die sich aus dem islamistischen Terrorismus, dem Staatszerfall im Nahen Osten, der aggressiven russischen Politik und der Flüchtlingskrise ergaben. Auch das neue Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr, das die Ministerin am 13. Juli 2013 der Öffentlichkeit vorstellte, war eine Antwort auf die veränderte sicherheitspolitische Situation. Es enthält das Bekenntnis global „Verantwortung zu leben, Führung zu übernehmen“.

Zu einer der größten Herausforderungen von der Leyens in Ihrer ersten Amtszeit an der Spitze des Verteidigungsministeriums wurde der Fall eines Oberstleutnants, der wegen einer Doppelidentität als angeblicher syrischer Flüchtling und aufgrund des Verdachts der Vorbereitung einer terroristischen Straftat im April 2017 verhaftet wurde. Nach dem Fund von Wehrmachtsdevotionalien in der Kaserne des Beschuldigten ordnete von der Leyen eine Durchsuchung aller Bundeswehrkasernen an und äußerte im Fernsehen, die Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“ , sie leide unter einem „falsch verstandenen Korpsgeist“ und „Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen". Diese Vorwürfe trugen ihr große Kritik ein, vor allem, da sie nach drei Jahren im Amt der Verteidigungsministerin selbst für die von ihr beklagten Probleme haftbar gemacht wurde.

Als Folge des Skandals initiierte von der Leyen eine Überarbeitung des seit 1982 geltenden Traditionserlasses der Bundeswehr. Den reformierten Erlass unterzeichnete sie im März 2018. Er gibt vor, dass die Soldaten sich zukünftig bei der Suche nach Traditionen hauptsächlich an der mittlerweile mehr als 60 Jahre andauernden Geschichte der Bundeswehr orientieren sollen.

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Zweite Amtszeit als Bundesverteidigungsministerin

Bei der Bundestagswahl im September 2017 trat von der Leyen als Spitzenkandidatin der CDU in Niedersachen an und zog über die Landesliste erneut in das Parlament ein. Nach der schwierigen Phase der Regierungsbildung kam es abermals zur Bildung einer Großen Koalition und von der Leyen wurde am 14. März 2018 zum zweiten Mal als Bundesministerin der Verteidigung vereidigt. Dass die Wahl erneut auf sie fiel, wurde als Vertrauensbeweis der Kanzlerin gewertet: Nur ihr traue man die Härte zu, schrieb der Tagesspiegel am 10. März 2018, das schwierige Haus zu führen. Auch darin, dass von der Leyen die einzige Ministerin war, die während der gesamten Amtszeit Merkels bis dahin ununterbrochen zum Kabinett zählte, zeigte sich ihre Ausnahmestellung.

Doch das Amt der Verteidigungsministerin verlangte von der Leyen in der Tat sehr viel mehr ab, als alle anderen politischen Aufgaben, für die sie bislang verantwortlich gewesen war. Kontinuierliche Klagen über Ausrüstungsmängel der Streitkräfte und die Organisation des Beschaffungswesens beschäftigten sie auch in den ersten Monaten ihrer zweiten Amtszeit als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte. Wie stets in ihrer Karriere begegnete sie diesen mit den Eigenschaften, die sie auszeichnen: Standhaftigkeit und dem Willen, ihre Ziele beharrlich weiterzuverfolgen.

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Engagement für Europa

Nach der Europawahl vom 23. bis 26. Mai 2019 wurde von der Leyen am 2. Juli 2019 durch den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin nominiert. Am 16. Juli 2019 stellte sie vor den Abgeordneten des Parlaments die politischen Leitlinien vor, die sie im Falle ihrer Wahl verwirklichen wolle. In ihrer Rede erinnerte sie an Simone Veil, die erste Präsidentin des Parlaments nach der Einführung der Direktwahl 1979. Obwohl ihre Nominierung im Vorfeld umstritten war, wurde von der Leyen schließlich mit 383 von 747 Stimmen zur Kommissionspräsidentin gewählt. Ihr neues Amt trat sie am 1. Dezember 2019 an.

Bereits am 11. Dezember trat sie mit der Ankündigung der Strategie zum einem „European Green Deal“ vor das Europäische Parlament. Im Fokus stand und steht dabei das Ziel, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten »klimaneutralen« Kontinent zu machen, der keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr ausstößt. Bei der Umsetzung geht es darum, wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz zu vereinbaren anstatt als Gegensatz zu betrachten. Mit dem European Green Deal beansprucht die EU eine internationale Vorreiterrolle auf dem Gebiet des Klimaschutzes. Im ersten Jahr ihrer Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission war von der Leyen außerdem mit dem „Brexit“, also dem Austritt Großbritanniens aus der EU infolge eines Referendums aus dem Jahr 2016 konfrontiert.  Nachdem das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 mit Inkrafttreten des Austrittsabkommens die Europäische Union verlassen hatte, einigte es sich schließlich am 24. Dezember 2020 mit der EU auf ein Handels- und Kooperationsabkommen, in dem ihre künftigen Beziehungen neu geregelt wurden.

Die Amtszeit von der Leyens als Präsidentin der EU-Kommission war bisher durch besondere Herausforderungen und Krisen gekennzeichnet. Zunächst die Corona-Pandemie: Nach dem weltweiten Ausbruch der neuartigen Infektionskrankheit COVID-19 mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit, die Wirtschaft und das Zusammenleben der Bürger Europas, einigten sich die EU-Staaten schon im April 2020 auf ein Hilfspaket von mehr als 500 Milliarden Euro für Arbeitnehmer, Firmen und Staaten, die von der Pandemie besonders betroffen waren. Im Juni 2020 kündigten von der Leyen eine EU-Impfstrategie an, mit dem Ziel, im Laufe von zwölf bis 18 Monaten wirksame und erschwingliche Impfstoffe für alle EU-Bürger zu sichern. Als „größtes Konjunkturpaket aller Zeiten“ wurde im Dezember 2020 ein Aufbauplan von den Staats- und Regierungsspitzen aller EU-Länder, dem Europäische Parlament und der Europäische Kommission beschlossen, der die coronabedingten Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft langfristig abfedern sollte. Insgesamt wurden hierfür 2.018 Billionen Euro aus dem langfristigen EU-Haushalt und dem befristeten Programm NextGenerationEU bereitgestellt. Kritik entzündete sich an dem Projekt, weil die EU für die Finanzierung erstmals gemeinschaftlich Schulden aufnahm.

Nach dem Beginn des Russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 äußerte sich von der Leyen sehr deutlich: "Die Stabilität Europas und der gesamten internationalen Ordnung. Unsere Friedensordnung" sei in Frage gestellt. In enger Abstimmung mit der US-amerikanischen Regierung brachte die EU ein umfangreiches Sanktionspaket auf den Weg, mit dem Ziel, die Handlungsmöglichkeiten Russlands einzuschränken. Seit dem 23. Juli 2023 ist bereits das 11. Sanktionspaket der EU in Kraft.

Von der Leyen befürwortete früh und deutlich eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine. Bei einem Besuch in Kiew im April 2022 bekräftigte sie Ihre Unterstützung für das Land: „Meine Botschaft lautet, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört“. Am 23. Juni 2022 wurde die Ukraine offiziell vom Rat der EU in den Kreis der EU-Anwärter aufgenommen, zusammen mit der Republik Moldau und Georgien. Im Mai 2023 reiste von der Leyen zum fünften Mal seit Beginn des Krieges in der Ukraine und sicherte am Europatag am 9. Mai dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj die „uneingeschränkte Unterstützung der EU für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland“ zu.

Herausgefordert ist die EU in der Amtszeit von der Leyens auch durch das anhaltend hohe Ausmaß von illegaler Migration. Hierzu stellte sie im September 2023 während des Besuchs der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa einen Zehn-Punkte-Plan zur Unterstützung Italiens vor. Sie kündigte „ein verstärktes Vorgehen gegen Schleuser“ an, gleichzeitig sollen legale Wege und humanitäre Korridore „den Migranten echte Alternativen bieten. Nur so lasse sich der Teufelskreis des Narrativs der Schmuggler durchbrechen. „Je besser wir die legale Migration bewerkstelligen, um so strikter können wir gegen irreguläre Migration vorgehen“, so von der Leyen in einer Presseerklärung. Letztlich sind es allerdings die Mitgliedstaaten, die eine gemeinsame Politik beschließen müssen, die Kommission kann hierzu nur Vorarbeiten leisten. Zuletzt wurde immmerhin am 4. Oktober 2023 eine Einigung über die letzte Komponente einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik erzielt. In einer Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter legten die Mitgliedstaaten der EU ihr Verhandlungsmandat für eine Verordnung über Krisensituationen, darunter die Instrumentalisierung von Migration, und Fälle höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl fest. Damit wurde die Grundlage für die kommenden Verhandlungen zwischen dem Ratsvorsitz und dem Europäischen Parlament gelegt.

Am 13. September 2023 hielt von der Leyen ihre jährliche «State of the Union»-Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg, ihre letzte derartige Rede vor der Europawahl im Frühjahr 2024. Ob sie eine weitere Amtszeit anstrebt, ist noch offen.

 

Lebenslauf

  • 8. Oktober 1958 geboren in Brüssel
  • 1976 Abitur am Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium/Lehrte
  • 1976 Studium der Archäologie in Göttingen
  • 1977–1980 Studium der Volkswirtschaftslehre in Göttingen und Münster
  • 1978 Besuch der London School of Economics
  • 1980–1987 Studium der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 1987 Staatsexamen und Approbation als Ärztin
  • 1988–1992 Assistenzärztin, Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 1990 Eintritt in die CDU
  • 1991 Promotion
  • 1992–1996 Aufenthalt in Stanford/ USA; Gasthörerin an der Stanford-University
  • 1996–1997 Mitglied im Landesfachausschuss Sozialpolitik der CDU Niedersachsens
  • 1998–2002 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medizinischen Hochschule Hannover
  • 1999 Mitglied im Arbeitskreis Ärzte der CDU Niedersachsens
  • 2001 Master of Public Health
  • 2001–2004 Mitglied und Vorsitzende der CDU-Fraktion im Stadtrat Sehnde/Niedersachsen; Mitglied der Regionalversammlung der Stadt Hannover
  • 2003–2005 Mitglied der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag
  • 2003–2005 Niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
  • 2004–2019 Mitglied im Präsidium der CDU Deutschlands
  • 2005–2009 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
  • 2009–2019 Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Hannover-Süd
  • 2009–2013 Bundesministerin für Arbeit und Soziales
  • 2010–2019 Stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands
  • 2013–2019 Bundesministerin der Verteidigung
  • seit Dezember 2019 Präsidentin der EU-Kommission
  • 2024 Spitzenkandidatin der EVP bei den Wahlen zum Europäischen Parlament

Veröffentlichungen

  • Ursula von der Leyen/ Karl-Rudolf Korte (Hg.): Wer macht die Arbeit morgen? Berlin 2011.
  • Ursula von der Leyen: Kinder und Eltern stark machen – für eine Familienpolitik aus christlich-sozialer Verantwortung, in: Karl-Josef Laumann (Hg.), Würde, Teilhabe, Gerechtigkeit. Eine christlich-soziale Agenda für das 21. Jahrhundert. München 2009, S. 89-95.
  • Ursula von der Leyen/ Vladimir Spidla (Hg.): Voneinander lernen – miteinander handeln. Aufgaben und Perspektiven der europäischen Allianz für Familien. Baden-Baden 2009.
  • Ursula von der Leyen: Füreinander da sein, miteinander handeln: warum die Generationen sich gegenseitig brauchen. Freiburg im Breisgau 2007.
  • Maria von Welser im Gespräch mit Ursula von der Leyen: Wir müssen unser Land für die Frauen verändern. München 2007.
  • Ursula von der Leyen: Familie mit Zukunft – Christliche Werte und Zusammenhalt der Generationen. Dresden 2006. (Schriftenreihe zu Grundlagen, Zielen, und Ergebnissen der parlamentarischen Arbeit der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Bd. 43)
  • Ursula von der Leyen: Werte erwachsen – Unsere Verantwortung für die Kinder, in: Albert Biesinger/ Friedrich Schweitzer (Hg.), Bündnis für Erziehung. Unsere Verantwortung für gemeinsame Werte. Freiburg im Breisgau 2006, S. 41-53.
  • Ursula von der Leyen: Mit Macht für Familie und Beruf, in: Maybritt Illner (Hg.), Frauen an der Macht. 21 einflussreiche Frauen berichten aus der Wirklichkeit. München 2005.

Literatur

  • Katharina Rahlf: Ursula von der Leyen: Seiteneinsteigerin in zweiter Generation, in: Robert Lorenz/ Matthias Micus (Hg.), Seiteneinsteiger: Unkonventionelle Politiker-Karrieren in der Parteiendemokratie. Wiesbaden 2009, S. 274-300.
  • Ulrike Demmer, Daniel Goffart: Kanzlerin der Reserve. Der Aufstieg der Ursula von der Leyen. Berlin 2015.

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