Masken-Zweifel: Bundesärztekammer-Präsident rudert zurück

Stand: 23.10.2020, 18:12 Uhr

Ausgerechnet der Bundesärztekammer-Präsident hatte Zweifel an Alltagsmasken geäußert. Nun ruderte Klaus Reinhardt zurück: Die Schutzwirkung sei wissenschaftlich belegt.

Von Sabine Tenta

Zwei Tage, nachdem er den Nutzen von Alltagsmasken bei der Bekämpfung der Pandemie in Zweifel gezogen hatte, ist der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, zurückgerudert. "Die aktuelle Evidenz aus vielfältigen Studien spricht für einen Nutzen des Mund-Nasen-Schutzes", schrieb er am Freitag in einer Mitteilung der Bundesärztekammer. Seine Aussagen hätten zu erheblichen Irritationen geführt, die er sehr bedaure.

Deutschlands oberster Ärztevertreter hatte in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" am Mittwochabend gesagt, er sei von den Alltagsmasken nicht überzeugt. Er sprach sogar von einem "Vermummungsgebot" - ein Begriff, der zum Standard-Vokabular von Corona-Leugnern gehört.

Der Ärzte-Präsident als Philosoph?

In der lebhaften Diskussion bei "Markus Lanz" hatte Reinhardt gesagt: "Ich bin von den Alltagsmasken nicht überzeugt, weil es auch keine wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind. Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken. Das ist ein mechanischer Schutz, der da besteht, aber die Viren werden dadurch nicht aufgehalten."

Nachdem Lanz mehrfach hartnäckig nachgefragt hatte, gestand Reinhardt ein, in gewissen "Settings", also dort, wo kein Abstand gehalten werden könne, im ÖPNV beispielsweise, könnten Alltagsmasken sinnvoll sein.

Rücktrittsforderung von Lauterbach

Im WDR sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, wenn sich ein Präsident der Bundesärztekammer in einer Talkshow äußere, tue er dies nicht als Privatperson. Lauterbach forderte den Rücktritt von Reinhardt, sollte er seine Äußerungen nicht zurücknehmen. "Wir brauchen derzeit wirklich die Unterstützung der Funktionäre der deutschen Ärzteschaft. Wir brauchen nicht eine Infragestellung der Maßnahmen, die wissenschaftlich unstrittig sind", so Lauterbach.

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Das sagen Studien zur Wirksamkeit von Masken

Fakt ist: Es gibt viele Studien weltweit, die belegen, wie wirksam ein Mund-Nasen-Schutz ist. So kommt eine jüngst veröffentlichte US-amerikanische wissenschaftliche Untersuchung zu dem Schluss, dass Baumwollmasken, medizinische und FFP2-Masken eine schützende Wirkung haben. Dieser Schutz sei noch höher einzuschätzen, wenn Infizierte eine Maske tragen. Aber weder medizinische, noch FFP2-Masken könnten die Verbreitung des Coronavirus komplett unterbinden. Ein Hinweis insbesondere an das medizinische Fachpersonal, weitere Schutzmaßnahmen zu treffen.

Ärztekammer-Präsident Nordrhein widersprach Reinhardt

Der Präsident der Ärtzekammer Nordrhein, der Aachener Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke (CDU), hatte dem Bundeschef seiner Ärztevertretung im WDR deutlich widersprochen: "Maskenauflagen haben eine evidenzbasierte Grundlage, egal, was manche in Talkshows behaupten."

Die endlose Maskendiskussion

Es ist wie ein Déjà-vu, denn diese Zweifel an der Tauglichkeit von Alltagsmasken gab es in der Anfangsphase der Pandemie von zahlreichen Fachleuten zu hören. Unter ihnen RKI-Präsident Lothar Wieler und der Präsident der Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery. Sie alle haben in der Zwischenzeit ihre Fehleinschätzung eingestanden und sind überzeugte Maskenbefürworter.

Montgomery, bis 2019 Reinhardts Vorgänger als Bundesärztekammer-Präsident, sagte beispielsweise Anfang August: "Wir wissen heute wissenschaftlich, dass Masken jeder Form von einfachem Schutz hilft, zwar nicht zu 100 Prozent, aber doch eine ganze Menge hilft."

Statement der Bundesärtzekammer

Über die Bundesärztekammer hatte Klaus Reinhardt zusammen mit seinen Stellvertreterinnen nach der Talkshow bereits ein Statement veröffentlicht. Dort hieß es, für Menschen mit erhöhtem Risiko könne das Tragen einer FFP2-Schutzmaske sehr sinnvoll sein. "Wir plädieren deshalb dafür, Risikopatienten FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen. Für alle anderen Menschen gilt, dass in allen Situationen, in denen kein ausreichender Abstand gewahrt werden kann, zum Beispiel in geschlossenen Räumen oder im Öffentlichen Nahverkehr, das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes sinnvoll ist." Von wissenschaftlichen Evidenzen war dort nicht die Rede.

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